Zukunftsfähiger Katastrophenschutz endet nicht an Ländergrenzen

Die Landtagsfraktionen der FREIEN WÄHLER aus Rheinland-Pfalz und Bayern tauschen sich vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 aus

MAINZ. Im Rahmen des zweitätigen interfraktionellen Austauschs, zu dem die FREIE WÄHLER-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz eine Delegation der in Regierungsverantwortung stehenden Kollegen aus Bayern – mit dem Fraktionsvorsitzenden Florian Streibl und dem Parlamentarischen Geschäftsführer Felix Locke an der Spitze – begrüßte, stand auch das Thema Katastrophenschutz im Fokus. Und wie die beiden Bundesländer voneinander lernen können. Stephan Wefelscheid, Parlamentarischer Geschäftsführer und Obmann im Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“ des rheinland-pfälzischen Landtags, zeichnete anhand seiner mehr als zweijährigen Ausschuss-Arbeit ein detailliertes Bild, zu welchen Fehlern, Versäumnissen und Unterlassungen es in dem Zeitraum rund um die Flutnacht (14./15. Juli 2021) vom 10. Juli bis 6. August 2021 gekommen war. Besonders wies er hier auf die Defizite im Bestehen und der Umsetzung sowie Kontrolle der rechtlichen Regelungen, etwa dem Landesgesetz über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (Brand- und Katastrophenschutzgesetz – LBKG -) oder der DV 100 – Führung und Leitung im Einsatz hin. Stephan Wefelscheid gab den Kollegen die Empfehlung, hier die gesetzlichen Regelungen in Bayern nochmals zu überprüfen und dahingehend fortzuschreiben, dass neben der Rechtsaufsicht zukünftig auch eine Fachaufsicht im Katastrophenschutz möglich sei. Felix Locke merkte anschließend an: Für uns ist wichtig, aus den Fehlern, die in Rheinland-Pfalz begangen wurden, zu lernen. Wir nehmen den Input und die Expertise der Mainzer Kollegen mit nach München und werden das Thema Katastrophenschutz jetzt in unserer Fraktion nochmal intensiv besprechen.“

Stephan Wefelscheid merkte an, dass manche Regelungen nicht mehr zeitgemäß seien: „Unter anderem müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung, etwa im Warnwesen und dem Austausch der Behörden und Kommunen untereinander, dringend verbessert werden. Ebenso müsste über die Schaffung hauptamtlicher Katastrophenschützer nachgedacht werden.“ Doch nicht nur während der Flut zeigten sich die Mängel, sondern auch in der Chaosphase der Aufräumarbeiten. Hier betonte Wefelscheid, dass neben dem Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer, der Fortschritt auch der Hilfe der Kräfte aus den anderen Bundesländern geschuldet sei. „Hier hat man stark von der Expertise aus Bayern profitieren können.“ Ergänzt wurde die Rückschau zur Flutkatastrophe im Ahrtal durch die Ausführungen des rheinland-pfälzischen FW-Fraktionsvorsitzenden Joachim Streit zur Arbeit der Enquetekommission „Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge“. Für ihn als ehemaligem Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm und den Erkenntnissen aus dem Flutgeschehen 2018 „war klar, dass die Investitionen und Strukturen für den Katastrophenschutz verbessert werden müssen“. So wurde zu Streits Zeit im Eifelkreis bereits der Alarm- und Einsatzplan überarbeitet und ein einsatzbereites Katastrophenschutzzentrum geschaffen. „Diese Vorkehrungen haben sich bei der Flutkatastrophe ausgezahlt und Schlimmeres verhindert. Prävention statt nur Reaktion, lautet hier die Maxime“, so Streit.

„Der Austausch mit den Kollegen aus Bayern war für beide Seiten höchst gewinnbringend. Wir konnten den bayerischen Kollegen anhand der hiesigen Fehler hinreichend Fakten mitgeben, die auch für sie interessant sind – sei es die Überprüfung und Fortschreibung gesetzlicher Regelungen und Schaffung von Katastrophenschutzzentren. Wir selbst können unter anderem von Bayerns Erfahrungen hinsichtlich der Vorhaltung von Hubschraubern zur Menschenrettung und geschultem Personal aus der Bergwacht lernen. Gerne werden wir diesen Austausch über Best Practice und zur Vermeidung von Fehlern und Versäumnissen noch dieses Jahr intensivieren“, so Wefelscheid.

Der bayerische Fraktionsvorsitzende Florian Streibl unterstrich, „wie wichtig effiziente und abgestimmte Strukturen und Prozesse im Bereich des Katastrophenschutzes sind. Das hat uns die Katastrophe im Ahrtal schmerzvoll gezeigt“. Die Gespräche hätten erneut gezeigt, dass beide Landtagsfraktionen hinter den Feuerwehren und Hilfsorganisationen stehen. „Wir setzen uns für ihre bestmöglichste Ausstattung in den Bereichen Personal, Ausrüstung und Exerziermöglichkeiten ein“, betonte Streibl. „Gleichzeitig sehen wir in der Stärkung des Ehrenamts einen Schlüssel für einen erfolgreichen Katastrophenschutz: Großschadenslagen lassen sich nicht alleine durch hauptamtliche Helferinnen und Helfer bewältigen, sondern benötigen die zahlreichen ehrenamtlich Engagierten in den Feuerwehren und Hilfsorganisationen.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FREIE WÄHLER-Fraktion in Bayern, Felix Locke, ergänzte: „Auch die Warnung der Bevölkerung, etwa durch ein flächendeckendes Sirenennetz, ist uns ein wichtiges Anliegen. Unsere Fraktion hat sich deshalb im Rahmen der Haushaltsplanungen für eine zusätzliche Förderung des bayerischen Sirenennetzes eingesetzt. Denn: Bei Unwettern, Hochwasser oder Sturm ist die schnelle Warnung der Menschen besonders bedeutsam. Es genügt nicht, nur digital auf der Höhe der Zeit zu sein. Erfreulich ist, dass wir in Bayern im Bereich der Prävention schon heute breit aufgestellt sind, um flexibel reagieren zu können – schließlich ist jede Katastrophe anders.“ Streibl mahnte an, dass hier jedoch der Bund gefragt sei: „Das Sonderinvestitionsprogramm Sirenen des Bundes ist trotz Forderungen der Länder bislang weder verstetigt noch aufgestockt worden. Das Schutzversprechen des Staates gegenüber dem Bürger gilt auch im Bereich des Katastrophenschutzes, die Bürgerinnen und Bürger unserer Länder müssen sich im Katastrophenfall auf Vorbereitung und Hilfe verlassen können.“

Einig waren sich beide Fraktionen darin: „Bei der Kommunikation ist entscheidend, dass die Akteure des Katastrophenschutzes bestmöglich miteinander vernetzt sind. Während das zwischen den Menschen vor Ort bereits sehr gut funktioniert, besteht auf Landes- und Bundesebene noch Optimierungsbedarf.“ Das mussten die Menschen im Ahrtal 2021 schmerzvoll erfahren.

Related Images:

Nach oben scrollen