Urteil des Bundessozialgerichts sorgt für Wirbel – FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion fordert sofortiges Handeln aller Verantwortlichen
MAINZ. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes, das die sogenannten Poolärzte betrifft, wird es auch an den Bereitschaftspraxen in Rheinland-Pfalz gravierende Einschnitte geben: Sieben ärztliche Bereitschaftspraxen könnten wohl schon zum Jahresende 2023 geschlossen werden. An den verbleibenden 36 Einrichtungen stehen womöglich drastische Reduzierungen der Öffnungszeiten bevor. Nachtdienste könnten sogar ganz wegfallen. „Falls es wirklich so kommen sollte, wird sich die Grundversorgung für Patienten in der Fläche weiter verschlechtern. Wir brauchen dringend ein Maßnahmenpaket, das den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht wird“, erklärt Helge Schwab, gesundheitspolitischer Sprecher der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion.
Schwab verweist auf einen Bericht des SWR, der vor und hinter den Kulissen für Wirbel gesorgt hat. Demnach wird die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz die Verträge mit allen 427 Poolärzten kündigen, die bislang rund 60 Prozent der Bereitschaftsdienste abdecken. Begründung: Das bisherige System könne nach dem Urteil aus Kassel nicht mehr weitergeführt werden. Demnach können auch die sogenannten Poolärzte sozialversicherungspflichtig sein, auch die Mainzer KV müsste deshalb Beiträge für die betroffenen Mediziner abführen – sogar rückwirkend.
„Wie so oft gibt es eine längere Vorgeschichte“, kommentiert Gesundheitspolitiker Schwab. Diese Vorgeschichte war ausgerechnet von einem Mediziner initiiert worden: Ein Zahnarzt aus Baden-Württemberg, der nach der Schließung seiner Praxis im Auftrag der zuständigen kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) Bereitschaftsdienste übernommen hatte, erhob – in Ergänzung zu seinem Honorar – Ansprüche auf Beiträge zur Sozialversicherung. Er klagte zunächst vorm Landessozialgesetz Baden-Württemberg, in der zweiten Instanz beim Bundessozialgericht, wo ihm Recht gegeben wurde.
Das Urteil hatte weitreichende Folgen für alle Poolärzte, also die Mediziner, die nach Aufgabe ihrer Praxen oder zusätzlich – also freiwillig – am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen. Sie gelten nämlich nicht grundsätzlich als selbstständig, es komme auf den individuellen Fall an, so das Gericht. Die Folge: Für die KVen und die KZVen stimmt die Kalkulation nicht mehr. „Wenn man bedenkt, dass die Bereitschaftspraxen in Altenkirchen, Andernach, Emmelshausen, Frankenthal, Gerolstein, Ingelheim und Landstuhl geschlossen werden sollen, fragt man sich schon, inwieweit die ärztlichen und zahnärztlichen Selbstverwaltungen noch ihren ureigenen Auftrag erfüllen können – nämlich die Bereitstellung einer flächendeckenden Versorgung“, stellt Helge Schwab fest. Aus seiner Sicht ist dennoch nicht zielführend, den verantwortlichen Politiken Ignoranz vorzuwerfen. „Jetzt müssen die Akteure schnellstmöglich an einen Tisch – und zwar ohne Schaum vor dem Mund. Wir brauchen zumindest für das erste Quartal 2024 eine Übergangslösung. Damit wird Zeit gewonnen, ein belastbares Konzept zu entwickeln, das auch in den nächsten Jahren funktioniert“, fordert der FREIE WÄHLER-Abgeordnete.