Über den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs aufgrund des neuen Nahverkehrsgesetzes vom Februar 2021 brauche ich nicht viele Worte zu verlieren: Er ist im Ansatz vernünftig – aus umweltpolitischen Gründen und vor dem Hintergrund explodierender Energiepreise – und wird auch von den FREIEN WÄHLERN unterstützt. Auch manches Verbindungschaos sowohl beim Jedermannverkehr als auch bei der Schülerbeförderung ist nicht Thema meiner Rede. Ich befasse mich ausschließlich mit der katastrophalen Finanzierung, die völlig aus dem Ruder läuft, und konzentriere mich dabei auf den straßengebundenen ÖPNV.
Am Beispiel des Landkreises Bad Kreuznach möchte ich Ihnen verdeutlichen, wie hoch die Belastungen durch diese übertragene Pflichtaufgabe sind, gerade im ländlichen Raum. 2019 beschloss der Kreistag eine Ausweitung des Streckennetzes und der Taktung, prognostiziert wurde eine dadurch bedingte Kostensteigerung von jährlich rund 1,5 Millionen Euro auf ein Gesamt-ÖPNV-Defizit von ca. 7 Millionen Euro. Jetzt allerdings – und dies ist erst seit ca. 2 Wochen bekannt – stehen zum ersten Mal belastbare Zahlen im Raum, die an Dramatik kaum zu überbieten sind. Für das erste volle Betriebsjahr 2023 und die Folgejahre springt der prognostizierte Verlust auf 15 Millionen Euro. Dabei ist es für die heutige Debatte völlig egal, wodurch diese Steigerung hervorgerufen wurde – durch falsche Annahmen in den Gutachten, durch Kostensteigerungen, durch Mindereinnahmen -, wichtig ist nur, dass mit jetzt belastbaren Zahlen ein kaum zu bewältigendes Defizit vorliegt, mit dem wir uns zu befassen haben.
Was sind die Ursachen? Was ist schuld daran?
• Kann es sein, dass das Kreuznacher Streckennetz und die Taktung zu aufwendig sind? Nein! Ich zitiere aus einem Schreiben vom Oktober 2021: “Mithin bewegt sich die in Ihrem Landkreis angestrebte Kommunalisierung hinsichtlich der Verkehrsbestellungen innerhalb der Pflichtaufgabe des Landkreises.“ Unterschrieben von einer gewissen Katrin Eder.
• Hat der Kreis Kreuznach schlecht geplant? Nein! Die mir hier vorliegenden Zahlen anderer Landkreise, die das Konzept umgesetzt haben, zeigen ähnliche Defizite, im Vergleich pro Kopf liegt Bad Kreuznach mit am besten.
• Liegt es an der Kommunalisierung? Nein! Die Ausschreibungsergebnisse des Landkreises Birkenfeld, der nicht kommunalisiert hat, sind noch schlimmer.
• Wurden Zuschüsse nicht beachtet? Falsch! Die Landeszuweisung für regionale Hauptlinien in Höhe von 5 Millionen Euro ist schon abgezogen.
Man kann sich drehen und wenden wie man will: Der Zuschussbedarf hat sich überall, wo das neue ÖPNV-Konzept umgesetzt wurde, dramatisch erhöht und ist auch – zumindest im Landkreis Bad Kreuznach – noch nicht einmal durch die erhöhten Zuweisungen gemäß dem neuen Landesfinanzausgleichsgesetz gedeckt. Landesweit betragen die ÖPNV-Defizite wohl mehrere 100 Millionen Euro. Die Kreise können dies nicht leisten.
Was ist zu tun? Weniger ÖPNV kann politisch nicht gewollt sein und ist aufgrund schon getätigter Anschaffungen und Verträge auch kurzfristig nicht machbar. Die Kreise und Städte sind also dringendst darauf angewiesen, dass sich das Land schnellstens und in angemessener Höhe an den Kosten beteiligt. Und wir, die FREIEN WÄHLER, erwarten dies und fordern dies ein! Wir erwarten, dass sich das Land wieder des Konnexitätsprinzips bewusst wird, sich endlich daran hält und diejenigen Kosten erstattet, die es den Trägern aufgrund der Erhebung des ÖPNVs zur Pflichtaufgabe aufgebürdet hat.
Der Weg dazu ist klar: Gemäß § 16 Abs. 9 des neuen Nahverkehrsgesetzes sind Zuschüsse auch für die lokalen Buslinien vorgesehen. Wann aber kommen diese? Wieder ein Schreiben von Frau Eder, diesmal vom Februar 2022: Avisiert sind solche finanziellen Überlegungen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des neuen Landesnahverkehrsplans, voraussichtlich Ende 2023! Dies kann nicht sein, das ist für die Träger unzumutbar! Wir können zwar nachvollziehen, dass man erst endgültig entscheiden will, wenn die Faktenlage klar ist, dann aber müssen die Zuschüsse auch rückwirkend gezahlt werden! Daher erwarten wir, die FREIEN WÄHLER, dass im kommenden Doppelhaushalt eine angemessene Position eingestellt wird – und daher ist diese ÖPNV-Debatte von ausgesprochen großer Aktualität.
Und Sie meine Damen und Herren der Regierung und der regierungstragenden Fraktionen, Frau Ministerin Eder: Mit dem Gesetz allein ist es nicht getan, sorgen Sie auch für die zur Umsetzung nötigen Mittel, indem Sie unsere Forderung unterstützen!
Es gilt das gesprochene Wort.