66. Plenarsitzung – Joachim Streit zu “Kein Platz für sicherheitsgefährdenden Extremismus, Islamismus und Kalifatsfantasien – Freiheit und Rechtsstaat verteidigen”

Aktuelle Debatte auf Antrag der CDU-Fraktion

Video: Landtag RLP

Anlässe, über die Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaates zu diskutieren, hat die jüngere Vergangenheit in unschöner Regelmäßigkeit geliefert. Dabei ist dem Irrsinn keine Grenze gesetzt. Reichsbürger träumen vom Umsturz, Rechtsradikale von Deportationen und Islamisten vom Kalifat auf deutschem Boden. Letztere erfreuen sich des Verständnisses politischer Akteure, deren kulturelle Sensibilität nicht einmal bei Gewaltaufrufen oder der Forderung nach der Vernichtung Israels endet.

Bei den Bürgern herrscht indessen Unverständnis darüber, wieso der offensichtlichen Veränderung des bundesrepublikanischen Alltags nichts außer einer Kondolenz in Dauerschleife entgegengesetzt wird. Aber es bedarf keiner soziologischen Ausbildung, um die politische Lähmung unserer Zeit zu verstehen. Wenn man sich uneins über den Feind ist, können schwerlich Ziele für Gegenschläge ausgemacht werden.

Während wir im Zuge der Präsidentschaftswahlen zwischen Trump und Clinton über die Zerrissenheit der USA sprachen, haben wir übersehen, dass die Polarisierung der deutschen Bevölkerung ähnlich weit vorangeschritten ist. Zuerst brannten die Ivy-League-Universitäten und nun Hochschulen in Leipzig und Berlin – offen zur Schau getragener Antisemitismus in unseren Bildungseinrichtungen und auf unseren Straßen. Was ein klarer Fall für hartes Durchgreifen wäre, ist im Deutschland des 21. Jahrhunderts jedoch eher Anlass, sich haarspalterischer Ursachenforschung zu widmen. Das liegt nicht zuletzt an einem erheblichen Teil der Professoren selbst – wohlgemerkt nicht allen -, die wahlweise mit Verständnis oder Bestärkung auf die hasserfüllten Botschaften der Demonstranten reagieren.

Denn wenn die Ideale vieler Köpfe der bildungsbürgerlichen Oberschicht aus den Lehren des Postkolonialismus entspringen, dann kann man von der restlichen Gesellschaft nicht erwarten, einen Wertekanon zu teilen, der sich vom christlichem Glauben, römischem Recht und griechischer Philosophie ableitet.

In dieser Leere des Relativierens, die weder richtig noch falsch kennt, gedeihen Extremisten jeder Art und degradieren die Mitte zum immer bedeutungsloser werdenden Zuschauer. Die Bürger dieses Landes erwarten zu Recht, dass politische Entscheidungsträger Maßnahmen zur Eindämmung vom täglichen Wahnsinn ergreifen. Allerdings wird all das ins Nichts laufen, wenn uns die notwendige weltanschauliche Selbstverortung nicht endlich gelingt.

Meine Damen und Herren, ja: Freiheit und Rechtsstaat verteidigen! Aber was wir jetzt benötigen, ist ein neuer Gesellschaftsvertrag, der die berechtigten Bekenntnisse zum Grundgesetz ergänzt. Es geht um die Frage, wie wir zusammenleben wollen. Unter dem Deckmantel eines falsch verstandenen Schutzes der Demokratie haben wir die Grenzen dessen, was im Sinne der Aufrechterhaltung der offenen Gesellschaft zu ertragen ist, immer weiter verschoben.

Von zügellosen Unverschämtheiten, die die sozialen Medien zum Wilden Westen 2.0 machen, über einen AfD-Europaabgeordneten, der die Machenschaften der SS-Schergen relativiert, bis zu einem seit 10 Jahren abgelehnten Asylbewerber, der einem Polizisten in blinder Raserei auf den Staat, der ihm Schutz gewährt, ein Messer in den Nacken rammt – und damit letztlich ermordet.

Wir können es uns nicht länger leisten, kopfschüttelnd am Rand zu stehen und auf die Komplexität der Welt zu verweisen.

Aber wir müssen endlich zu einem grundlegenden Verständnis zurückkehren, was Recht und Gesetz ist und kein Gedankenkonstrukt zur Diskriminierung derjenigen, die die Regeln des demokratischen Zusammenlebens als einschränkende Schikane betrachten. Es liegt natürlich in erster Linie an den Regierungstragenden, die offenkundigen Missstände in unserem Land zu beseitigen. Dafür müssen sie allerdings zuerst von allen erkannt und benannt werden – ohne Verständnis für Unverständliches aufzubringen. Um die Handlungslosigkeit der Bundesregierung in einem Bild zusammenzufassen, sage ich frei nach Friedrich Dürrenmatt:

Deutschland ist ein Pulverfass und das Rauchen nicht verboten.

Es gilt das gesprochene Wort.


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