Leere Worthülsen und wenig Fakten – so bringt die FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion den mit großen Versprechungen und Getöse angekündigten Koalitionsvertrag der neuen-alten Mainzer Regierungskoalition knapp auf den Punkt. „Das Ganze sind nur wohlklingende Absichtserklärungen, ohne dass die Finanzierung gesichert ist“, analysiert Fraktionsvorsitzender Joachim Streit.
Denn woher die finanzielle Ausstattung für die kostenintensiven Vorhaben in dem 183 Seiten starken sogenannten „Zukunftsvertrag“ kommen soll, findet sich nirgends. Die Koalition aus SPD, Grüne und FDP hatte es fünf Jahre in der Hand, Zukunftschancen für die Menschen in Rheinland-Pfalz auf die Schiene zu setzen, die SPD mittlerweile 30 Jahre. „Die Krisen in unserem Land sind damit SPD-Krisen: Ob Klima, Bildung, Digitalisierung und ÖPNV, die Chancen in Rheinland-Pfalz heißen Unterlassen“, erklärt Joachim Streit.
Mehr als 180 Seiten – das klingt nach einem umfassenden Programm für die nächsten fünf Jahre. Bedeutungsschwere Formulierungen wie „Transformationsrat“, „Zukunftsschule“ oder gar „Zentrum zur Förderung von Unternehmensgründungen und des Wissens- und Technologietransfers zwischen Wirtschaft und Wissenschaft“ scheinen dies noch zu unterstreichen. „Nach dem Studium des Vertrags stellen wir aber fest, dass es sich zumeist um leere Worthülsen handelt, die nicht mit Inhalt gefüllt werden“, so der Parlamentarische Geschäftsführer und Landesvorsitzende Stephan Wefelscheid. Aufgebläht, mehrfache Wiederholungen, teilweise sogar in identischem Wortlaut – so kommt der Vertrag daher. „Über weite Teile bleibt der Entwurf sehr vage und unbestimmt, konkrete Aussagen sind selten und ließen sich vermutlich auf maximal zehn Seiten zusammenfassen“, so Wefelscheid. Stattdessen tauchen immer wieder Formulierungen auf wie „wir wollen … stärken“ oder „wir unterstützen …“, ohne dass konkrete Aussagen folgen, wie dies geschehen soll. Fraktionsvorsitzender Joachim Streit: „Mit Begriffen wie Transformationsakademie oder Innovationsagentur versucht die Regierung, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Ich frage: Wo sind die 400 Millionen Euro für die Kommunen, wo ist das Geld für die Kitas und die Schulen? Hier verlangen wir, dass das strenge Konnexitätsprinzip eingehalten wird. Selbst die Grünen springen zu kurz, wenn es ein 365-Euro-Ticket nur für junge Menschen gibt, aber der Klimaschutz für die Alten nur darin besteht, dass sie eine höhere Stromrechnung zahlen sollen.“
Auf viele wichtige und drängende Fragen gibt der Koalitionsvertrag keine Antwort: Wie sollen die Folgen der Corona-Pandemie angegangen und aufgearbeitet werden? Wie sollen die Schüler nach der Pandemie aufgefangen und gefördert werden? Wie soll die Finanzierung der Kommunen neu und diesmal endlich im dritten Anlauf auch verfassungskonform geregelt werden? Man könnte diese Liste beliebig fortsetzen.
Die Handschrift der Grünen ist deutlich. Wohl auch, weil eigentlich nur im Bereich Klimaschutz mal konkrete Maßnahmen formuliert werden. „Die Solarpflicht für gewerbliche Neubauten und Parklätze wird vielen Bereichen der Wirtschaft nicht gefallen. Sie lässt in ihrer Pauschalität auch außer Acht, dass längst nicht alle Standorte auch geeignet sind, amortisationsfähige Anlagen zu errichten. Die Abstände zwischen Windrädern und Häusern sollen reduziert werden, was die Akzeptanz dieser Anlagen in der Bevölkerung nicht erhöhen wird“, so Stephan Wefelscheid. Windräder sollen in sogenannten „Kalamitätsflächen“ der Wälder und sogar in „vorgeschädigten Bereichen“ des UNESCO-Welterbes und Biospährenreservats Pfälzer Wald aufgestellt werden. „Statt geschädigte Waldbereiche zu sanieren, werden sie damit endgültig aufgegeben. Hier wird der Umweltschutz dem Klimaschutz ohne Not geopfert. Beides ist notwendig und beides muss mit Augenmaß und pragmatisch durchgeführt werden und nicht wie hier mit der Holzhammermethode“, so der Parlamentarische Geschäftsführer der FREIEN WÄHLER. Zudem: „Wenn Umweltschutz nur noch auf Klimaschutz reduziert wird, wie dies mit der Umbenennung des Umweltministeriums in Klimaschutzministerium der Fall ist: stehen Menschen, Tiere und Umwelt nicht mehr an erster Stelle?“
Die SPD findet man in dem Vertrag immerhin bei einem Thema wieder: Rheinland-Pfalz soll zum führenden Biotechnologiestandort in Deutschland werden. „Ob hierfür die Einführung eines Landeskoordinators ausreichend ist, darf bezweifelt werden“, so Joachim Streit. Auch die Fixierung ausschließlich auf die Landeshauptstadt Mainz sei zu kurz gegriffen. „Viel mehr gibt der Vertrag aber auch zu diesem Thema nicht her.“
Die FDP hat sich die „Stärkung der Innenstädte“ und „Verkehrsinfrastruktur“ vorgenommen und kommt mit zwei Vorschlägen: Sie will „Handwerksbetriebe in die Innenstädte locken, damit sich Kunden und Hersteller begegnen“ und sie will Plätze und Straßen für kulturelle Angebote nutzen. „Die Betriebe brauchen Platz für Lager und Werkstatt sowie Parkplätze für ihre Fahrzeuge. Wo dieser in den überfüllten und engen Innenstädten herkommen soll, wird nicht erklärt – ebenso wenig wie Handwerksbetriebe die hohen Mieten in den Innenstädten finanzieren sollen“, kritisiert Streit. Straßen und Plätze für kulturelle Angebote zu nutzen, ist ein „alter Hut. Diese nutzen die Kommunen bereits seit Jahrzehnten“. Somit ist die Idee so „neu“, wie vieles andere in dem Koalitionsvertrag.
Die FREIEN WÄHLER erwarten von der Regierung eine Bildungsstrategie für das ganze Land und nicht eine Worthülse wie „Zukunftsschule“. Wir erwarten eine Digitalisierungsstrategie, die auch den Menschen und Unternehmen Vorteile bringt. Die FDP hat den kleinen und mittleren Unternehmen in der Krise nicht geholfen. Damit kam sie ihrer Aufgabe nicht nach. „Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse, sondern eine unternehmerfreundliche Politik“, fordert Fraktionsvorsitzender Streit. „Nichts Neues ist, dass WLAN an allen Schulen nötig ist! Doch muss dafür durch den Breitbandausbau erst einmal die Voraussetzung geschaffen werden – und auch das ist in den vergangenen Jahren verschlafen worden.“
„Wie man aus diesem Koalitionsvertrag mit so wenig konkreten Aussagen und so vielen alten Inhalten eine Koalition des Aufbruchs und der Zukunftschancen‘ herleiten will, bleibt ein Geheimnis dieser Regierung. Ebenso, wie die geplanten zahlreichen Stellen, Institutionen und Organisation finanziert werden sollen“, so die Spitzenpolitiker der FREIEN WÄHLER, Streit und Wefelscheid, unisono.
Bild: Joachim Streit