Die Enquetekommission „Zukunftsstrategien und Katastrophenvorsorge“ übernimmt nach Auffassung der FREIEN WÄHLER Aufgaben, die dem sogenannten Strukturierungsauftrag des Innenministeriums obliegen. Damit erledigt die EK die Aufgaben, die vom Innenministerium schon vor der Flut hätte erledigt werden müssen.
Warum hat sich das Innenministerium nicht dem Thema Katastrophenschutz in den letzten zehn Jahren gestellt? Weil man es nicht auf dem Schirm hatte.
Nach den Fluten 2016 an der Ahr und 2018 in der Eifel hätte man sich doch auch einmal mit Fachleuten treffen müssen. Jedoch wurde der Landesbeirat für Brand- und Katastrophenschutz jahrelang nicht eingeladen. Das Innenministerium hat den im LBKG verankerten Landesbeirat auf das sträflichste vernachlässigt. Die letzte Sitzung hat vor zehn Jahren, im Jahre 2012 stattgefunden, obwohl der Beirat nach Gesetzeslage jährlich einberufen werden soll. In diesem Landesbeirat sind Vertreter der Spitzenverbände, des Landesfeuerwehrverbandes, der Werksfeuerwehren, des THW und der Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz (HiK), sowie nach Bedarf der Bundeswehr und der Kammern und weitere Experten (§ 7 LBKG).
Vollkommen unverständlich war mir, dass Innenminister Lewentz ein neues Landesamt für Katastrophenschutz ausgerufen hat, ohne den Landesbeirat und die ganze Gruppe der Brand- und Katastrophenschutzinspekteure einzuberufen! Ich weiß, es war die Flucht nach vorn. Aber hier hilft nur die Einbeziehung von Fachleuten aus der Praxis des Katastrophenschutzes.
Die im Vorwort des Zwischenberichts Seite 1 genannte „Schaffung einer Landesoberbehörde für den Katastrophenschutz“ sowie das vom Innenminister in seiner Pressemitteilung vom 31.08.2022 in Aussicht gestellte „Landesamtes für den Katastrophenschutz“ hat auch in den ganzen Diskussionen und den Vorträgen der Enquete-Kommission überhaupt nicht stattgefunden. Lediglich in der Stellungnahme des Experten Matthes, BKI der Stadt Worms, auf Seite 11 wird in einem Nebensatz erwähnt, dass bei Vollübungen die fachliche und begleitende Unterstützung in der Vorbereitung, etc. durch Landesdienststellen und -behörden oder einem Landesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz erforderlich sein könnte.
Wo kommt der Begriff her? Die CDU hat erstmals ein solches Landesamt ins Spiel gebracht. Innenminister Lewentz griff das Thema auf, ohne den Bericht der Enquetekommission abzuwarten und dann erfolgte die Aufnahme in den Zwischenbericht der Enquetekommission.
Die Schaffung eines Landesamtes für den Katastrophenschutz, wie dies der Innenminister in seiner Pressemitteilung vom 31.08.2022 in Aussicht gestellt hat, findet – ohne ausführliche Expertenanhörung – keine Zustimmung der FREIEN WÄHLER. Wir sind der Meinung, dass die bestehenden Strukturen sowohl im Innenministerium mit einem eigenen Lagezentrum, in der ADD mit dem Referat 22 und in den weiteren Behörden des Landes im Umwelt- und Klimaministerium und dem Landesamt für Umwelt ausreichend sind, Katastrophen- und Krisensituationen in Rheinland-Pfalz zu bewältigen. Der von uns bereits seit letztem Jahr geforderte Strukturierungsauftrag des Landes lässt sich mit den oben dargestellten Behörden umsetzen, wenngleich die Kommunikation unter- und miteinander einer deutlichen Verbesserung bedarf.
Der Standort Koblenz mit der Landesfeuerwehrakademie ist aber durchaus geeignet für ein Kompetenzzentrum für Bevölkerungsschutz ohne Befehlsstruktur in den bisherigen Kategorien, um der Ausbildung und Hilfe des Katastrophen- und Bevölkerungsschutz Rechnung zu tragen. Weil diese Unterstützung können normale Einsatzstrukturen nicht erbringen. Aber auch hier sollten wir auf die Kompetenz des Landesbeirats für Brand- und Katastrophenschutz und aller Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz setzen und zunächst den Experten und Praktikern zuhören. Mit der Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2022 trat ein Fall ein, bei dem die Einsatzkräfte oberhalb der sogenannten Katastrophenschwelle gefordert wurden. Dieser Fall zeigt die Defizite im bisherigen System des Katastrophenschutzes auf.
Verwaltungsstäbe/Technische Einsatzleitung
Das System der Hilfeleistung ist dem Grunde nach im LBKG und RettDG geregelt. Es gilt im ganzen Land Verwaltungsstäbe und Technische Einsatzleitungen zu etablieren und regelmäßig über die kommunale Ebene mit den Kräften aus Land, Bund und gegebenenfalls EU zu üben, da bei der Jahrhundertflut auch die Bereiche in Nordrhein-Westfalen und den angrenzenden Ländern Luxemburg und Belgien betroffen waren. Dazu müssen die entsprechenden Führungsmittel bereitgestellt werden. Deshalb begrüßen wir die künftige Umwidmung zur staatlichen Auftragsangelegenheit, verbunden mit der Hoffnung, dass das Land nicht nur seinem Strukturierungsauftrag nachkommt, sondern auch finanzielle Mittel bereitstellt. Dazu bedarf es auf Grundlage des HiK (Arbeitsgemeinschaft der Hilfsorganisationen im Katastrophenfall RLP) -Konzeptes einer einheitlichen Ausstattung von Mensch und Material und der Kenntnis, wer was wo vorhält und auf welchem Alarmierungsweg der taktische Einsatzwert bestmöglich zur Verfügung gestellt werden kann. Die Hauptamtlichkeit des BKI wird für unabdingbar gehalten, sowohl für die Erstellung der Rahmen-, Alarm- und Einsatzpläne als auch für die weiteren Aufgaben, die auf die Landkreise im Rahmen des Katastrophenschutzes zukommen werden.
Lageerkundung und Lagefeststellung
Die Flutkatastrophe hat gezeigt, dass die Lagefeststellung und Lageerkundung bei ADD, Innenministerium und Umweltministerium versagt haben. Hier bedarf es eines oberhalb der kommunalen Ebene bestehenden Dienstes, der die Lagemeldungen sammelt, anfordert, auswertet und Führungsunterstützung gibt. Die Lagefeststellung kann an den bisherigen Integrierten Leitstellen erfolgen.
Aufwachsen der Einsatzleitung/RAEP
Grundsätzlich sollte dort die Einsatzleitung sein, wo die Gefahr am nächsten mit dem Wissen von vor Ort bekämpft werden kann. Je nach Schadenslage wächst die Einsatzleitung der nächst höheren Stufe zu. Dieses Aufwachsen ist klarer zu regeln als bisher. Ein erheblicher Optimierungsbedarf ist bei der ADD mit der Flutkatastrophe offenbar geworden; hier ist auf die Ergebnisse der Untersuchungsausschuss zu verweisen. Für die personell erforderliche Verbesserung bedarf es keiner weiteren Verwaltungseinheit. Mit dem LBKG besteht bereits die Strukturvorgabe des Landes. Eine personelle Aufrüstung hat bei der ADD stattzufinden. Das Land Rheinland-Pfalz verfügt über eine Rahmen-, Alarm- und Einsatzplanung. Wichtig ist, dass sie nun auch flächendeckend auf die zuständigen kommunalen Ebenen heruntergebrochen, an die lokalen Gegebenheiten angepasst und einer periodischen Überprüfung unterzogen werden. Deshalb ist es richtig, wenn das Land auch die Fachaufsicht übernimmt. Damit entsteht nicht nur Verbindlichkeit, sondern eine echte kontrollierbare Pflicht. Dazu gehört auch eine lokale und landesweite verpflichtende Gefährdungsanalyse mit der damit verbunden verpflichtenden Gefahrenabwehrplanung, die in regelmäßigen Abständen einer Überprüfung zu stellen ist.
Landeskonzept und überregionale Kräfte / überregionale Übungen
Der Strukturierungsauftrag des Innenministeriums umfasst auch die Hinwendung zu einem landeseinheitlichen System der Katastrophenschutzausstattung auf den verschiedenen Stufen mit einer weiteren überlokalen/überregionalen bzw. landesweiten Vorhaltung von Material und Einsatzeinheiten. Ein landeseinheitliches System ist erforderlich, um den taktischen Einsatzwert der einzelnen Katastrophenschutz-Einheiten im operativen Schwarm zu erhöhen. Dazu gehören auch zu gründende Katastrophenschutz-Einheiten auf Ebene der Rettungsdienstbereiche, die nicht überall vorgehalten werden müssen, und als schnelle Eingreifgruppen Versorgungslücken in bestimmten Bereichen schließen oder bei Großschadenslagen zum Einsatz kommen. Dazu gehören auch dislozierte Materiallager.
Es gilt das gesprochene Wort.