Artikel 28, Absatz 2 Grundgesetz besagt: Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Und Artikel 49 Absatz 6 der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz ergänzt: Das Land hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden auch die zur Erfüllung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Es stellt ihnen für ihre freiwillige öffentliche Tätigkeit in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen zur Verfügung.
Soweit der Grundsatz. Die Praxis sieht hingegen oft anders aus.
Als Mitglied des Koblenzer Stadtrates durfte ich die gleiche Erfahrung machen, die ich vermutlich mit vielen Kommunalpolitikern hier im Raum teile: Anspruch und Wirklichkeit liegen oft weit auseinander.
So haben wir uns Land auf Land ab mittlerweile an den absurden Zustand gewöhnt, dass in Rathäusern über die besseren, größeren Sparvorschläge oder über die Höhe der durchzuführenden Steuererhöhung diskutiert wird, statt über die beste Idee für Menschen vor Ort, geschweige denn über Abgabensenkungen. Echte kommunale Selbstverwaltung sieht anders aus.
Dass Anspruch und Wirklichkeit der kommunalen Finanzlage in Rheinland-Pfalz seit langer Zeit auseinanderfallen, wurde von der Bertelsmann Stiftung in der Studie 2019 nochmals deutlich festgestellt:
- Aus den 100 höchstverschuldeten Städten und Kreisen Deutschlands kommen – erstmals – 30 aus RLP – von 36 Kreisen und Städten in RLP insgesamt, deutschlandweit 400.
- Aus den Top 20 kommen elf aus RLP – vor zehn Jahren noch sieben.
Auf die Feststellung des Verfassungsgerichtshofs, wonach der kommunale Finanzausgleich für verfassungswidrig erklärt wurde, wurde bereits mehrfach von den Vorrednern eingegangen.
Meine Damen und Herren, als Vertreter der Opposition könnte mir unterstellt werden, bei der Ursachenanalyse eine zu einseitige Betrachtung an den Tag zu legen.
Deswegen, Herr Präsident, würde ich gerne mit Ihrem Einverständnis aus den Etateinbringungsreden zweier sozialdemokratischer Oberbürgermeister meiner Heimatstadt Koblenz sowie der Haushaltsrede des damaligen FDP-Fraktionsvorsitzenden und heutigen amtierenden freidemokratischen Justizministers zitieren.
Beginnen möchte ich mit dem Auszug der Etatrede 2015 des damaligen Ratsmitglieds Herbert Mertin namens der FDP-Stadtratsfraktion:
„Diese Effekte verpuffen aber, da den Kommunen immer wieder Pflichtaufgaben aufgebürdet werden ohne für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen… Das Land zieht also die Spendierhosen an und lässt andere bezahlen.
Dem Oberbürgermeister ist also voll zuzustimmen, die Finanzausstattung die Bund und Land vornehmen reicht bei weitem nicht aus.“
Zum einen handelt es sich um Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig, der vor seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister der Stadt Koblenz als dienstältester Staatssekretär am Kabinettstisch von Kurt Beck saß und als tiefer Kenner der landespolitischen Finanzlage angesehen werden darf.
Dieser sagte zum städtischen Haushalt 2016: „Es wird ganz deutlich: Solange wir nicht die notwendige Unterstützung von Bund und Land bekommen, werden wir uns weiter verschulden müssen. … Alleine können wir unseren Haushalt nicht konsolidieren. Bund und Land müssen uns gerade bei unseren Pflichtaufgaben zur Seite stehen, sonst wird der Schuldenberg immer größer.“
Dies sagt er zum Haushalt 2017: „Das Land erfüllt seine Konnexitätsverpflichtung unzulänglich. Es muss doch zu denken geben, dass alle rheinland-pfälzischen Oberzentren dem gesetzlichen Gebot des Haushaltsausgleichs nicht nachkommen können.“
Kommen wir zu David Langner, einem anderen sozialdemokratischen Oberbürgermeister, der zuvor, Frau Ministerpräsidentin Dreyer, ihrem Kabinett als Sozialstaatssekretär angehört hatte.
Dieser sagte jüngst zum Haushalt 2021: „Zur Lösung der Altschuldenproblematik sind hohe finanzielle und wirtschaftliche Hilfen von Bund und Ländern von Nöten, um die Gesamtsituation in ein erträgliches Fahrwasser zu steuern.“
Und auch zu den Grenzen des Sparens hat er sich geäußert: „Wir können immer nur dort sparen, wo es möglich und wo es auch angemessen und langfristig betrachtet sinnvoll ist.“
Und da lassen Sie mich, der ich unter Hofmann-Göttig viele Jahre der städtischen Haushaltsstrukturkommission angehört habe, glasklar und unmissverständlich sagen: Die Zitrone ist ausgequetscht, da bekommt selbst der beste Staatskommissar nichts mehr raus!
Und was die von der ADD ständig geforderte Frage der Einnahmensteigerung betrifft: Die Steuerlast der Bürgerinnen und Bürger ist schon jetzt extrem hoch. Manche bei der ADD oder dem Finanzministerium mögen davon träumen, dass alle Kommunen in Rheinland-Pfalz den selbstmörderischen Kurs der Stadt Neuwied gehen und die Grundsteuer B auf 610 Prozent erhöhen – übrigens dort gegen die Stimmen der SPD und der FDP. Derartige Steuereskapaden werden für den Rest des Landes allerdings zunächst im Bereich der Traumwelt der ADD bleiben.
Denn eins ist klar Frau Finanzministerin Ahnen: Wer halbwegs bei Verstand ist, wird die kommunalen Steuern nicht erhöhen, solange nicht ihr Konzept zum neuen Kommunalen Finanzausgleich auf dem Tisch liegt. Dabei ist auch zwingend von Ihnen und Ihrem Ministerium eine Antwort auf die drängende Frage der Altschulden zu geben. Der Antrag der CDU zeigt einen Ansatz auf, wie das Problem der Altschulden gelöst werden könnte. Es gibt sicher auch andere Ansätze. Diese zu entwickeln ist aber in erster Linie auch ihre Aufgabe, Frau Finanzministerin Ahnen. Das Land ist in der Bringschuld!
Die Kommunen warten auf eine Antwort, wir warten auf eine Antwort.
Es wird Zeit, dass das Land endlich liefert!