Interessante Podiumsdiskussion führt zu Acht-Punkte-Forderungskatalog
MAINZ. Wie kann der Katastrophenschutz verbessert und dabei das Ehrenamt besser eingebunden werden? Über diese und andere aktuelle Fragen und Herausforderungen haben sich jüngst mehr als 50 Teilnehmer aus der gesamten rheinland-pfälzischen Blaulichtfamilie auf Einladung der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion im Rahmen einer Podiumsdiskussion ausgetauscht. Als Ergebnis des Gipfels wurde ein gemeinsamer Forderungskatalog aufgestellt.
Neben dem Fraktionsvorsitzenden Joachim Streit als Mitglied der Enquete-Kommission „Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge“, saßen mit dem Präsidenten des Landesfeuerwehrverbandes Frank Hachemer, dem Vorsitzenden des Arbeiter-Samariter-Bundes Oswald Fechner und dem Landessprecher des Technischen Hilfswerks Thorsten Pallien ausgewiesene Fachleute im Podium. Stephan Tusch, ehemaliger Wiederaufbau-Verantwortlicher des Malteser Hilfsdienstes für das Ahrtal, hatte die Moderation der Veranstaltung übernommen.
Nach einem Kurzvortrag von Stephan Wefelscheid, Obmann der FREIEN WÄHLER im Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“, wurde intensiv diskutiert. Hierbei gab es neben Lob auch viele kritische Anmerkungen für die Arbeit der Landesregierung im Nachgang zur Flutkatastrophe 2021. „Zwei Jahre lang wurde jede Expertise in Mainz angehört, aber die, die vor Ort waren und Verantwortung bei der Bewältigung getragen haben, sind bisher nicht gefragt worden.“ Oder: „Im Januar 2023 wurde erstmals nach zehn Jahren wieder der Landesbeirat für Katastrophenschutz eingeladen und ernannt – seitdem herrscht Funkstille im Innenministerium.“ So zwei O-Töne aus der Zuhörerschaft. Selbst die „Birkweiler Erklärung“* habe bisher zwar viel Aufmerksamkeit in Feuerwehrkreisen erregt – passiert sei aber nichts.
Um die Situation zu verbessern, hat der „Blaulichtgipfel“ einen acht Punkte umfassenden Forderungskatalog aufgestellt:
• Die Aus- und Fortbildung der Einsatzkräfte muss neu konzipiert werden; ein regelmäßiges und zielgerichtetes Üben ist dabei erforderlich, um die Abstimmung zwischen Landesregierung, ADD, Landkreis (Technische Einsatzleitung) und Gemeinde praxisnah durchzuspielen. Des Weiteren gilt es Kapazitäten zu schaffen, um die gesetzlich verankerte Pflicht zur Weiterbildung der Führungskräfte in einem 5-Jahres-Rhythmus zu gewährleisten. Zusätzlich müssen auch für Bewerber aus der weißen Schiene die entsprechenden Kapazitäten geschaffen werden, damit unsere Leitstellen über qualifiziertes Personal verfügen können.
• An der Feuerwehr- und Katastrophenschutzakademie (LFKA) sind dringend mehr Ausbildungskapazitäten für Ehrenamtliche zu schaffen, um langjährige Wartezeiten abzubauen.
• Auf die Einbindung der Verwaltungsstäbe in die Arbeit der Technischen Einsatzleitungen ist ein besonderes Augenmerk zu legen und regelmäßiges gemeinsames Üben erforderlich.
• Das Brand- und Katastrophenschutzgesetz (LBKG) ist zu reformieren: Es benötigt eine klare Definition, ab wann das Land die Einsatzleitung übernimmt – insbesondere der § 24 Abs. 1 b LKBG bedarf einer Klarstellung. Zusätzlich müssen nach den Änderungen im LBKG die DV 100 (Stand 2000) und weitere Dienstvorschriften aktualisiert werden.
• Die Überprüfung der Rahmen-, Einsatz und Alarmpläne hat regelmäßig durch das Land zu erfolgen, hierzu hat das Land die Fachaufsicht zu übernehmen. Ein besonderes Augenmerk sollte im Hinblick auf länderübergreifende Lagen auf die Gleichartigkeit der Grundlagen der Einsatzplanungen zu benachbarten Bundesländern gelegt werden.
• Die Förderphilosophie im Bevölkerungsschutz in Rheinland-Pfalz bedarf einer dringenden Überarbeitung. Die Anpassung der Förderrichtlinien hinsichtlich der Fördersummen und der DIN-Normen bei der Beschaffung von Einsatzmitteln (z.B. Fahrzeuge und Material) an die aktuellen technischen Entwicklungen und die zu erwartenden neuen Lagen (z.B. Waldbrände, Stromausfall, Überschwemmungen, Hochwasser, Starkregenereignisse, Cyber-Angriffe) ist dringend geboten. Eine zentrale Beschaffung im kommunalen Verbund ist dabei anzustreben und durch das Land zu unterstützen.
• Spontanhelfer und freiwillige Helfer sind durch geeignete Führungsmaßnahmen in den Katastrophenschutz – jeweils bei den einzelnen Mitgliedern der Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz (HiK) – einzubinden und müssen durch Ansprechpartner in den technischen Einsatzleitungen geführt werden (z.B. wie im WuKAS-Projekt der Bergischen Universität Wuppertal).
• Eine Besserstellung des ehrenamtlichen Engagements in den HiK–Organisationen, z.B. durch die Einführung von Rentenpunkten, ist zu prüfen und umzusetzen.
Joachim Streits Fazit zum „Blaulichtgipfel: „Ich bin dankbar für die vielen Anregungen und Hinweise aus dem Blaulichtgipfel, aber auch für die konkreten Forderungen in Richtung Politik. Ohne die weit mehr als 100.000 ehrenamtlichen Einsatzkräfte in Rheinland-Pfalz schaffen wir es nicht, einen besseren Bevölkerungsschutz auch Realität werden zu lassen. Und die nächsten Katastrophenlagen werden kommen. Hier ist die Politik und das Land gefordert. Mit den acht Punkten aus der Gipfelerklärung werden die FREIEN WÄHLER weiter für eine bessere Zukunftsvorsorge kämpfen.“