47. Plenarsitzung – Helge Schwab zu “Vernunft statt Ideologie: Inklusion mit Augenmaß, Förderschulen stärken – unverantwortliche Pläne der Landesregierung stoppen”

Antrag der AfD-Fraktion

Am 24. Mai stellte das Bildungsministerium eine neue Schulordnung für den inklusiven Unterricht sowie eine modernisierte Förderschulordnung vor. Ich bin ehrlich zu Ihnen: Nach der Veröffentlichung ging ein Aufschrei durch die Reihen der Eltern, Lehrkräfte, Verbände und auch die Reihen meiner Fraktion. Noch so oft können Sie, liebe Frau Dr. Hubig, betonen, dass keine Schließung von Förderschulen beabsichtigt ist. Dieses Statement ist nicht nur der Pressemitteilung vom 24. Mai zu entnehmen, sondern auch der Antwort auf die Kleine Anfrage vom 13. Juni.

Aber es gibt einen Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Vorsatz unterstelle ich nicht, aber ich möchte eindringlich vor der Fahrlässigkeit warnen. Mit dieser sogenannten Modernisierung werden die Förderschulen in unserem Land de facto geschwächt. Aber noch viel schwerwiegender: Man nimmt den Kindern mit sonderpädagogischem Bedarf die Chance auf eine frühestmögliche umfassende Förderung – beispielsweise an Förderschulen. Denn die neuen Regelungen sehen vor, dass alle Schüler zunächst am Regelunterricht in der 1. und 5. Klasse teilnehmen und erst zu Beginn der 2. bzw. 6. Klasse die Feststellung eines spezifischen Förderbedarfs erfolgt.

Und weiter, wenn die Begutachtung erst im zweiten Jahr erfolgt, kann die Zuteilung für den sonderpädagogischen Bedarf auch erst im dritten Schuljahr der Grund- bzw. weiterführenden Schule wirksam werden. Hier geht Zeit verloren und allen ist bekannt: Förderung kann und dürfen wir nicht aufschieben. Umfassende Förderung eng verbunden mit Diagnostik sind das Mittel der Wahl und das so früh wie möglich. Doch laut Landesregierung lautet der Grundsatz: Sonderpädagogischer Bedarf wird so spät wie möglich festgestellt. – Diesen Grundsatz bitte ich noch einmal zu überdenken. 

Ein weiterer Punkt ist: Für Eltern und ihre Kinder ist bereits der Übergang von Kindergarten in die Grundschule eine herausfordernde, z.T. belastende Phase. Und wenn die Entscheidung für den Besuch einer Förderschule nicht schon mit Schuleintritt erfolgt, wird ein späterer Übergang – nämlich nach Feststellung eines Bedarfs in der 2. Klasse – kaum zumutbar und immer unwahrscheinlicher. Eine eingeschlagene Schullaufbahn wird so schnell nicht gewechselt. Prägende Übergangserfahrungen werden lieber auf ein Minimum reduziert und Förderschulen fallen hinten runter. Auch zu den personellen Ressourcen, die mit der Neuerung notwendig werden, möchte ich noch etwas sagen:

Die Pläne der Landesregierung in den nächsten Jahren mehr als 250 neue Planstellen im Bereich Inklusion einzurichten, sehe ich skeptisch. Unabhängig davon, dass diese Zahl nicht ausreichen wird, frage ich mich, wo sollen bei der derzeitigen Vergütung und Attraktivität die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herkommen? Und von welchem Zeithorizont sprechen wir?

            Das bleibt unklar.

Bitte bessern Sie an den genannten Stellen Ihr Vorhaben noch einmal nach. Wir stimmen uneingeschränkt zu, dass Inklusion ein Menschenrecht ist und gestärkt – nicht gestoppt – werden sollte. Aber mit Bedacht und Sorgfalt! Gleiches gilt für die Förderschulen. Beide Formen müssen personell und strukturell bestmöglich und sicher aufgestellt werden, um die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der individuellen Förderung perfekt umsetzen zu können.

Zuletzt will ich noch kurz auf den vorliegenden Antrag eingehen. Wissen Sie, wenn ich sinngemäß lese: Wir packen alle in ein gemeinsames Schulzentrum, aber unterrichten sie in getrennten Klassen – also separieren sie innerhalb der Schule, bleibt mir nur zu sagen: Wir müssen da noch einmal dringend über die Definition von Inklusion sprechen. Ich nehme vorweg, so ist Inklusion zumindest nicht gemeint.

Der Antrag der AfD ist daher abzulehnen. 

Es gilt das gesprochene Wort.

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