Besprechung des Berichts der Landesregierung auf Antrag der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
der Mittelstandsbericht zeichnet das Bild eines, wenn auch durch die Coronakrise kurzzeitig durchgeschüttelten, dennoch robust und zukunftsfest aufgestellten Landes. Das BIP wächst, die Zahl der Erwerbstätigen lag 2021 um 6,1 Prozentpunkte höher als noch 2010 (S.12), die preisbereinigte Arbeitsproduktivität sogar ganze 11,3 Prozent (S.26) höher.
Der Bericht befasst sich aber auch mit den Herausforderungen, mit denen sich unser Mittelstand konfrontiert sieht. Klimawandel und internationale Krisen auf der einen, demografischer Wandel, Digitalisierung und weitere Transformationsprozesse auf der anderen Seite. Über die Bedeutung des Fachkräftemangels haben wir uns jüngst erst hier im Plenum unterhalten, ebenso wie in den Fachausschüssen. Und es kann und wird nicht das letzte Mal sein, da der Fachkräftemangel einer der großen Sorgen und Herausforderungen unserer Zeit ist. Ein strukturelles Problem, das sich leider mit jedem Jahr verschlimmert.
Ein anderes, hochinteressantes Detail ist mir beim Lesen des Berichts sofort ins Auge gesprungen. In meiner Heimatregion Mittelrhein-Westerwald konzentriert sich die Produktivität und Schaffenskraft des rheinland-pfälzischen Mittelstandes, und das freut mich als Koblenzer natürlich außerordentlich. Ein Drittel aller Mittelständler sind dort angesiedelt, auf tausend Einwohner kommen ganze vierzig mittelständische Unternehmen. Und diese Unternehmen erwirtschaften zudem noch im Durchschnitt jeweils rund 718.700 Euro Umsatz, in der Westpfalz liegt der Durchschnitt hingegen lediglich bei 585.800 Euro (S.13). Das zeigt mir eindeutig: Die Region Mittelrhein-Westerwald ist ein wertvoller, leistungsstarker Motor des Mittelstandes, in den es sich lohnt zu investieren.
Das forderte auch IHK-Präsidentin Szczesny-Oßing vergangenes Jahr in Koblenz auf dem „Sommerabend der Wirtschaft“ mit klaren Worten, wenn Sie sagt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – eine „mangelhafte Infrastruktur ist ein wesentlicher Standortnachteil für die Unternehmen und schadet der wirtschaftlichen Entwicklung sowie der unserer Arbeitsplätze.“ Unerlässlich für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes seien demnach Infrastrukturprojekte wie die Mittelrheinbrücke oder der Lückenschluss der A1, aber auch die Stärkung der Universität in Koblenz. Und dem kann ich mich nur anschließen, gerade unser Mittelstand braucht in der Region gut ausgebildete Ingenieure und Fachleute, die noch eine gewisse Verbundenheit zu ihrer Heimat haben. Ich bin überzeugt, dass die von Frau Szczesny-Oßing geforderte „Willkommenskultur für die Wirtschaft“ der richtige Impuls ist, um den wertvollen Wirtschaftsstandort Mittelrhein-Westerwald zukunftsfest und leistungsstark zu erhalten. Um das zu erreichen ist es unsere Aufgabe und zuvorderst die der Landesregierung, auf die Bedürfnisse des Mittelstandes zu hören und einen geeigneten Rahmen zu schaffen.
Doch ob unsere Landesregierung dafür wirklich das nötige Maß an Anpassungswillen und Kritikfähigkeit besitzt, ist derzeit leider fraglich. Im vergangenen Jahr ist der Bundesländerindex Familienunternehmen, eine Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen, herausgekommen. Damit haben wir uns bereits im Wirtschaftsausschuss befasst, wo Frau Staatssekretärin Dick-Walther für das Wirtschaftsministerium das katastrophale Abschneiden unseres Landes mit Kritik an dem Design der Studie zu verteidigen versuchte. Den anschließenden Sprechvermerk von Frau Ministerin Schmitt hatte ich mir erlaubt an die Stiftung Familienunternehmen weiterzuleiten, die daraufhin eine umfassende Entkräftung ebendieser Kritik vorlegte. Im Grunde kann man sagen, dass nicht die Studie, sondern vielmehr die daran geübte Kritik an wissenschaftlicher Sorgfalt und Stichhaltigkeit vermissen lässt.
Ein Beispiel: Laut Ministerin Schmitt sei die Gewichtung der fünf Subindizes ein wesentlicher Grund für das Erreichen des letzten Platzes, das Land werde dementsprechend in der Studie methodisch benachteiligt. Dazu zitiere ich – mit Erlaubnis des Präsidenten – den Studienautor Professor Dr. Friedrich Heinemann vom ZEW-Mannheim: „Abschließend ist festzuhalten, dass das vergleichsweise schlechte Abschneiden von Bundesländern wie Rheinland-Pfalz nicht einfach auf die gewählte Gewichtung im Bundesländerindex Stiftung Familienunternehmen zurückzuführen ist (…) Es existiert (…) keine Möglichkeit einer Andersgewichtung, die Rheinland-Pfalz zu einer Platzierung in der Spitzengruppe verhelfen würde.“
Auch die Qualität und Kohärenz der verwendeten Daten hat Ministerin Schmitt kritisiert und versucht, damit der Studie ihre Belastbarkeit abzusprechen. Besonders unverständlich ist dabei, dass moniert wurde, dass sich Daten zu unterschiedlichen Sachverhalten auch auf unterschiedliche Zeithorizonte, etwa Jahre und Quartale, bezogen. Professor Dr. Heinemann dazu: „Bei der Erfassung der Daten wurde stets auf die aktuell verfügbaren Daten zurückgegriffen, was in 78 Prozent der Fälle die Jahre 2020 und 2021 betrifft.“ Auch die restlichen Daten seien aktuell, bundesweit erhoben und mithin vergleichbar. Frau Schmitt: Ob man für einzelne Indikatoren nun quartals- oder jahresweise Daten heranzieht ist irrelevant für die Belastbarkeit der darauf basierenden Ergebnisse, solange man sich bei den jeweiligen Daten auf einen Zeithorizont beschränkt.
In anderem Rahmen werden wir dieses Thema noch einmal aufgreifen, bis dahin möchte ich unsere Landesregierung und insbesondere Sie, Frau Schmitt, dazu aufrufen, sich die Kritikpunkte aus dem Bundesländerindex als Impuls für die zukünftige Gestaltung der Rahmenbedingungen in unserem Land zu Herzen zu nehmen. Denn gerade dies möchte uns die Studie anbieten: Ideen und Anhaltspunkte, wo wir unser Land noch weiter verbessern können.
Es gilt das gesprochene Wort.