Wenn wir die aktuellen Meldungen aus der Mainzer Goldgrube lesen, müssten wir uns eigentlich nicht über Fachkräfteeinwanderung unterhalten, sondern die Fachkräfteabwanderung thematisieren!
Was ist passiert? Wir müssen leider feststellen, dass die beiden Mainzer Unternehmensgründer und Ehrenbürger Ugur Sahin und Äzlem Türeci sich mit ihrer international bestens bekannten Firma BionTech dazu entschieden haben, statt in Deutschland lieber in Großbritannien eine Abteilung zur Umsetzung von klinischen Studien mit personalisierten mRNA-Immuntherapien aufzubauen. Dies deshalb, weil Großbritannien seit dem Brexit seine eigenen regulatorischen Vorschriften in der Sache innehat, während in der EU die europäischen Arzneimittelagentur EMA zuständig ist. Anders ausgedrückt: BionTech investiert an der Themse statt am Rhein, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen auf der Insel offensichtlich besser zu sein scheinen als hier bei uns. Ein klarer Wettbewerbsvorteil für wesentliche Investitionsentscheidungen und zumindest ein Alarmzeichen für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland und auch Rheinland-Pfalz. Leider ist dies nicht das einzige Unternehmen von Weltruf, dass Investitionsentscheidungen zu Lasten des heimischen Standorts treffen musste.
Doch nicht nur die rechtlichen und bürokratischen Hürden lassen Unternehmen über Verlagerungen nachdenken, auch der Mangel an Fachkräften trägt dazu bei. Lassen Sie es mich kurzfassen: Der Worte sind genug gewechselt, die Landesregierung muss endlich die richtigen Weichen stellen und noch viel konkretere Lösungen zu dieser komplexen Problemstellung anbieten, als nur ein Landesgesetz zur Änderung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes Rheinland-Pfalz und weiterer berufsrechtlicher Vorschriften einzubringen, mit welchem schlicht bundesrechtliche Vorgaben umgesetzt werden.
Die Antworten und Lösungen sind so leicht zu finden und liegen auf der Hand. Bevor wir unseren Blick auf ausgebildete ausländische Fachkräfte richten, sollten wir als Gesellschaft nämlich erstmal verstärkt die Potentiale in den Blick nehmen, die in unserer eigenen Bevölkerung schlummern. FREIE WÄHLER haben hier im Plenum einen richtigen Vorschlag eingebracht, der wiederum auf der Regierungsbank auf taube Ohren gestoßen ist: an den rheinland-pfälzischen Schulen müssen mehr praxisorientierte und an Berufsbildern ausgerichtete Unterrichtseinheiten abgehalten werden!
Wir FREIE WÄHLER fordern, dass jeder Ausbildungsberuf an Schulen in Rheinland-Pfalz vorgestellt wird.
Nur so schaffen wir selbst den Turn-Around, die notwendige Abkehr vom Fachkräftemangel in vielen Berufsfeldern. Als wirtschaftspolitischer Sprecher der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion stehe ich im steten Austausch mit den Handwerkskammern und den Industrie- und Handelskammern im Land. Sie alle berichten mir von alteingesessenen Handwerksbetrieben oder florierenden Familienunternehmen, die dennoch eine Nachfolge regeln müssen und mangels Masse von potentiellen Nachfolgern den Betrieb aufgeben. Diese Tatsache ist uns allen hier nicht neu. Insofern erneuern wir FREIE WÄHLER unseren Appell an die Bildungs- und an die Wirtschaftsministerin hier mehr Wirtschaftskompetenz auf den Lehrplan der rheinland-pfälzischen Bildungseinrichtungen zu setzen.
Denn nur den Beruf den ein Schüler kennt, kann er auch ergreifen wollen. Hierzu gehört auch, dass junge Menschen in der Schule lernen, etwa durch ein obligatorisches Schulfach Wirtschaft, wie Unternehmen entstehen und Fähigkeiten vermittelt bekommen, die sie als Gründer oder in ihrer späteren beruflichen Laufbahn benötigen. Es liegt in unserer Hand den Grundstein für diese Schlüsselkompetenzen zu legen. Wir sollten junge Menschen hier fördern und nicht bremsen.
Es ist für einen starken Staat wie die Bundesrepublik Deutschland und unser Bundesland Rheinland-Pfalz ein Armutszeugnis, dass wir nach gut ausgebildeten Fachkräften aus dem Ausland ringen, anstatt in den eigenen Kindern und Jugendlichen den Willen und Geist zu entfachen, mit den eigenen Händen und aus der eigenen Motivation Werte zu erschaffen, unternehmerisch tätig zu werden, Existenzgründer zu werden, selbst einmal Chef zu sein.
Wir müssen hier schnellstmöglich handeln und den kommenden Generationen wieder den Gründergeist der Anfangsjahre unserer Bundesrepublik vermitteln: Wo wäre unser Land Rheinland-Pfalz, wenn es nicht Unternehmerfamilien wie Boehringer aus Ingelheim gegeben hätte, aber auch eine Familie Eckes aus Nieder-Olm, genauso wie der jüngst verstorbene Peter Gries aus Polch. Sie alle haben in ihren Bereichen große Marken und Werte geschaffen, sie alle hatten den Mut zu investieren und somit für Generationen sichere Arbeitsplätze zu schaffen.
Investieren wir wieder mehr in die Köpfe. Investieren wir wieder mehr in Unternehmertum und den Mut etwas zu unternehmen! Fördern wir Investitionen in kreative Ideen und Start-Ups made in Rheinland-Pfalz. Nur so schaffen wir eine gute Zukunft und unterstützen eine zukunftsfähige Wirtschaft mit klugen Köpfen und geben Innovationen eine Chance. Ganz gleich ob der kluge Kopf seine Wurzeln in Koblenz, Krakau oder Kalkutta hat. Wer hier zur Schule geht, sollte unsere volle Aufmerksamkeit bekommen. Das ist allemal besser und zielgerichteter, als Fachkräfte aus dem Ausland abwerben zu wollen, die auch dort dringend gebraucht werden. Meine Damen und Herren der Landesregierung, Sie haben es in der Hand. Lösen Sie diese Aufgabe!
Es gilt das gesprochene Wort.