MAINZ. In seiner 29. Sitzung im Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtags in Mainz setzte der Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“ seine Beweisaufnahme zu den tragischen Vorfällen des 14./15. Juli 2021 fort. Zwei Sachverständige und sieben Zeugen wurden angehört und vernommen. Dabei ging es insbesondere um das mit Spannung erwartete hydrologische Gutachten des Sachverständigen Dr. Thomas Roggenkamp sowie die Vernehmung der Vertreter des Landesamtes für Umwelt (LfU) und Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität (MKUEM) – insbesondere des Umwelt-Staatssekretärs Dr. Erwin Manz.
Stephan Wefelscheid, Obmann im Untersuchungsausschuss, nimmt zu dieser Sitzung Stellung:
„Wenn man sich beim Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe auf eines verlassen kann, dann, dass die Vernehmung von Sachverständigen manch Überraschung bereithalten kann, so auch heute. Denn auf meinen Vorhalt der Lichtbilder, die dem Innenministerium in der Flutnacht aus dem Polizeihubschrauber übersandt wurden, erklärte der Sachverständige Prof. Dr. Holger Schüttrumpf, dass aus diesen Fotos zumindest für Fachkundige wie ihn klar eine hohe Strömungsgeschwindigkeit des Wassers erkennbar sei. Dies verwundert insofern, da es bisher seitens des Innenministeriums immer hieß, aus den Fotos ginge kein klares Lagebild hervor. Insbesondere könne man aufgrund fehlender Anhaltspunkte keine Strömung erkennen. Hier stellt sich nun die Frage, wieso es dem Sachverständigen Schüttrumpf ad hoc möglich ist, die gezeigten Fotos entsprechend zu bewerten, nicht hingegen dem Lagezentrum des Innenministeriums und der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD. Wieso wurden, wenn die Lagebewertung doch so schwierig sei, in der Flutnacht keine Experten aus dem MKUEM und LfU beigezogen?
Detailreich und erkenntnisfördernd war für mich auch der starke Auftritt von Dr. Thomas Roggenkamp, dem Verfasser des hydrologischen Gutachtens, das er für die Staatsanwaltschaft Koblenz angefertigt hatte. Roggenkamp führte aus, dass das Hochwasser von 2021 keineswegs ein noch nie da gewesenes Ereignis gewesen sei – wie die Historie zeige. Er verwies auf die Hochwasser von 1804 und 1910, die vergleichbare Niederschlagsmengen aufwiesen. Auf meine Nachfrage zu den Erkenntnissen aus den bisherigen historischen Hochwasserereignissen und der Erwartbarkeit solcher, erklärte der Sachverständige, die maßgeblichen Erkenntnisse lägen schon seit mehr als zehn Jahren vor und seien auch publiziert worden. Fachleute würden diese kennen. Ein Landesumweltamt kenne diese Zahlen, so der Sachverständige.
Umso bemerkenswerter waren dann in der Folge die Aussagen der Vertreter des Landesamtes für Umwelt, wonach diese historischen Extremhochwasser von 1804 und 1910 bei der Arbeit des LfU nicht berücksichtig wurden. Für mich unverständlich blieb auch, trotz mehrfacher Nachfragen, warum die Prüfung der Abflussvorhersageberechnungen nebst vorliegender Pegelprognosen von 16.32 Uhr 45 Minuten dauerten, bevor das LfU um 17.17 Uhr die höchste Warnstufe veröffentlichte. Auf meine Nachfrage wurde mitgeteilt, dass diese 45-minütige Ergebnissichtung, -prüfung und –veröffentlichung nach dem ,Sechs-Augen-Prinzip‘ laufen würde. Dass man vom Computer ausgegebene Ergebnisse prüft, mag richtig sein, dass diese Prüfung allerdings 45 Minuten dauert, ist mir in Anbetracht dessen, dass in zeitlicher Hinsicht Gefahr in Verzug ist, zu lang. Besonders dann, wenn man weiß, dass um 16.43 Uhr – das sind 34 Minuten vor der Veröffentlichung der höchsten Warnstufe um 17.17 Uhr – das MKUEM noch eine Pressemeldung herausgegeben hat, in der es hieß, dass kein Extremhochwasser drohe! Wie wir wissen basierte diese Pressemitteilung auf dem Lagebild von 11.17 Uhr, war also im Grunde überholt, als sie herausgegeben wurde. Wäre die Prüfung schneller erfolgt, wie es nach meiner Einschätzung in Anbetracht der Lage geboten gewesen wäre, hätte die Information von 17.17 Uhr, wonach ein extremes Hochwasser zu erwarten ist, noch Eingang in die Meldung des Ministeriums finden können, ja müssen! In der Flutnacht kam es, Warnungen betreffend, auf jede Minute an, denn Warnung kann helfen Menschenleben zu retten.
Insofern war es für mich auch bezeichnend, dass der Zeuge Staatssekretär Dr. Erwin Manz auf meine Frage, ob er Kenntnis vom Pegelstand Altenahr von 20.22 Uhr hatte, dies mit Nichtwissen beantwortete. Hintergrund meiner Frage war, dass der Sachverständige Dr. Thomas Roggenkamp im hydrologischen Gutachten darauf hinwies, dass aufgrund dieses Pegelstandes spätestens ab diesem Zeitpunkt von einem Hochwasser mit katastrophalen Folgen ausgegangen werden müsse. Meine Frage an Manz, ab wann er aufgrund vorliegender Fakten davon ausging, dass das Hochwasser das sogenannte Jahrhunderthochwasser vom Juni 2016 übertreffen würde, vermochte dieser nicht explizit zu beantworten. Er berichtete von seinen, wie er es nannte, drei Eskalationsstufen. Die dritte Eskalationsstufe, die für ihn das Bild der Katastrophe zeichnete, verortete er allerdings erst gegen 22 Uhr. Für mich zeigt sich hier deutlich, dass der Staatssekretär in der Flutnacht keinen detaillierten Überblick über die Lage hatte, obwohl ihm das möglich gewesen wäre.
Fazit: Damit wurde für mich erneut klar: Erwin Manz ist die falsche Person auf diesem wichtigen Posten! Erwin Manz muss zurücktreten oder von der Ministerpräsidentin entlassen werden!“