FREIE WÄHLER-Obmann Stephan Wefelscheid zu neuen Erkenntnissen aus dem Untersuchungsausschuss
MAINZ. Die Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen der Polizei und des Innenministeriums im jüngsten Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“ offenbaren Ungereimtheiten zwischen den Aussagen einzelner Zeugen an diesem Sitzungstag und vorherigen Sitzungen. Ein schlüssiges Bild über die im Innenministerium und der nachgeordneten Behörden vorliegenden Informationen in der Flutnacht kann nicht gezeichnet werden. Demgegenüber stellen sich erneut Fragen über die bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) und im Umweltministerium vorliegenden Informationen zur Dramatik der Lage sowie deren ressortübergreifenden Weitergabe.
Stephan Wefelscheid, MdL, Obmann der FREIEN WÄHLER im Untersuchungsausschuss, zieht nach der Vernehmung der Zeugen Marita Simon (Polizeiführerin vom Dienst beim Polizeipräsidium Koblenz in der Flutnacht) und Markus Brugger (Dienstgruppenleiter im Lagezentrum des Innenministeriums) in der 23. Sitzung am 15. Juli daher folgendes Zwischenfazit:
1. Der Zeuge Erwin Manz, Staatssekretär im Umweltministerium, hatte in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss erklärt, beim Lagezentrum des Innenministeriums telefonisch um 22.24 Uhr einen „dringenden Appell“ abgesetzt zu haben. Danach habe er mit Nachdruck dazu aufgefordert, dass Menschen zu retten und alle Einsatzkräfte zu schicken seien. Das Land solle bei der Kreisverwaltung, der Bundeswehr oder wem auch immer nachhaken, damit alles getan werde, um diese Menschen dort zu retten.
Das Interessante daran: Der Zeuge Markus Brugger konnte diesen „dringenden Appell“ so nicht bestätigen. Auf meine Nachfrage erklärte er zum Austausch zwischen ihm und Manz, es habe sich um ein normales Telefonat gehandelt, Druck habe er nicht wahrgenommen und die Informationen von Erwin Manz nicht als „dringenden Appell“. Deswegen habe er auch nichts weiter veranlasst und die Lage als im Innenministerium bekannt erachtet.
2. Die Zeugin Simon schilderte detailreich, dass ihr nach Dienstantritt um 22 Uhr unmittelbar klar wurde, dass eine Flutkatastrophe eingetreten war. Sie habe dann ein aussagekräftiges Bild an Markus Brugger geschickt und mitgeteilt, dass man dringend Kräfte benötige. Dieses Bild stammte aus Aufnahmen des Polizeihubschraubers und zeigte die Lage in Schuld kurz vor der Dämmerung. Alle Informationen habe sie auch an Brugger weitergegeben und sehr oft mit ihm telefoniert. Das Innenministerium habe somit das alles erfahren.
Das Interessante daran: Der Zeuge Brugger konnte sich an diese ihm übermittelten Details ebenfalls so nicht mehr erinnern. Er sei nach wie vor von einem normalen Hochwasser und nicht von einer Flutkatastrophe ausgegangen.
3. Die Ausführungen des Zeugen Markus Brugger stehen für mich im klaren Widerspruch zur Schilderung des Zeugen Erwin Manz über das gemeinsame Telefonat in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss am 11. März und schüren für mich Zweifel an der Glaubwürdigkeit Bruggers, da dessen Schilderung sich auch nicht mit den Schilderungen weiterer Zeugen deckt. Schließlich erinnerte sich der Zeuge Brugger auch nicht mehr an die Details der Anrufe der Zeugin Marita Simon. Diese hatte in der Flutnacht einen ganz anderen Zuständigkeitsbereich als Umwelt-Staatssekretär Manz. Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass die Zeugen Manz und Simon in Kontakt standen und sich ausgetauscht hätten.
Mein Rückschluss kann hier nur sein: Entweder sagte der Zeuge Brugger in seiner Vernehmung nicht die Wahrheit oder er war in Anbetracht der Lage komplett überfordert. Es gilt, diese Frage aufzuklären. Der Untersuchungsausschuss sollte daher den Staatssekretär Erwin Manz erneut vernehmen, um aufzuklären, welchen Eindruck Markus Brugger auf ihn während des Telefonates gemacht habe. Sollte sich dabei der Eindruck bestätigen, dass Brugger schlicht überfordert war, würde das erklären, warum der Innenminister erst so spät über die tatsächliche Lage informiert wurde.