20. Plenarsitzung – Helge Schwab in der Haushaltsberatung zum Einzelplan 09 (Ministerium für Bildung – mit Video)

Video: Landtag RLP

MAINZ. Wie Sie aus den Aktivitäten der Ausschussarbeit vermuten können, ist der Einzelplan 09 ein sehr wichtiger für mein Team und mich.

Selbstverständlich hat das Bildungsministerium die Hausaufgaben der regierungstragenden Fraktionen gut umgesetzt. Daran hege ich keinen Zweifel. Und sicherlich war es auch ein interner Kampf, einzelne Titel salomonisch mit Leben zu füllen, sprich diese zu alimentieren.

Aus diesem Blickwinkel heraus ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn die Vorschläge der Opposition auf Grund der demokratischen Regularien zwar gehört werden müssen, diese aber kategorisch abgelehnt werden. Schließlich ist auch dies demokratisches Alltagsgeschäft.

Nun haben wir in Rheinland-Pfalz zwei Jahre vor uns, in denen keine große Wahl ansteht. Eine sehr gute Möglichkeit, vom Wahlkampfmodus in den Arbeitsmodus umzuschalten – und diesen auch beizubehalten. Gemeinsam für die beste Lösung zu streiten. Als einer der Neulinge im Parlament bringe ich selbstverständlich ausreichend Naivität mit und glaube daran, dass dies auch möglich ist.

Dies war mein Antrieb, gemeinsam mit meinen Fachreferenten 23 Deckblätter zu erarbeiten. Zahlen, Daten und Fakten zusammenzutragen, Wünsche und Möglichkeiten so abzuwägen, dass sinnvolle, kompromissfähige Vorschläge zur Diskussion gestellt werden konnten.

Selbstverständlich erhebe ich mit diesen Vorschlägen keinen Anspruch auf die genialste Idee seit 75 Jahren. Aber es sind Vorschläge, die ich ihnen weder aus rein oppositionellen noch aus populistischen Gründen sachlich unterbreite.

Wie Sie alle wissen, lebe ich mit meiner Familie im finanziell ärmsten Landkreis der Bundesrepublik Deutschland. Als Bürgermeister einer Ortsgemeinde versuche ich uns seit Jahren, auch mit Hilfe des Entschuldungsfonds, gesund zu sparen. Auch im Verbandsgemeinderat versuchen wir gemeinsam, immer mehr freiwillige Leistungen so zu reduzieren, dass wir unverschuldete Defizite reduzieren können.

Es ist relativ einfach, mit Abstand zu den Kommunen, in diesem schönen Plenarsaal immer wieder gute und sinnvolle Gesetze zu erlassen, welche die Bürgerinnen und Bürger entlasten sollen. Und im fernen Berlin ist dies noch viel, viel einfacher. Aus diesem Grund ist es für mich wichtig, unseren Landeshaushalt so mitzugestalten, dass das Konnexitätsprinzip auch einzuhalten ist.

Die Änderungsanträge sind Ihnen bekannt, die dementsprechenden Entschließungsanträge haben Sie gelesen. Dennoch ist es mir wichtig, Ihnen ausgewählte Anträge noch einmal ans Herz zu legen. Ich bitte Sie, gerade aus dem Blickwinkel der kommunalen Träger, unsere Anträge zu bewerten:

Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie fragil einzelne Bereiche unserer Infrastruktur sind. „Technik rein und Maske runter“ war und ist ein Slogan, der gerne auch von mir gebraucht wurde und wird. Doch so einfach ist das nicht. Unsere Träger der Kindertagesstätten und Schulen müssen diese Technik auch bezahlen können.

Als Parlamentarier sind wir aufgefordert, die Dinge vom Ende her zu denken. Wir müssen, um Fördermöglichkeiten zu schaffen, auch die Luftfiltergeräte als wirksame und förderfähige Ergänzung zu natürlichen Lüftungsmöglichkeiten anerkennen, damit wir diese Verbesserungen auch finanziell fördern dürfen. Es gilt Lüftungskonzepte zu entwickeln und Lüftungstechnik sinnvoll anzuschaffen.

Ebenfalls in diesen Kontext passt das Thema „Aufholen nach Corona“ – eine Initiative des Bundes.  

Hier geht es um zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Bildung, der Alltagsunterstützung und dem Abbau von pandemiebedingten Lernrückständen.

Aber was ist denn mit unseren Kleinsten? Was ist mit denen, die nicht die soziale Interaktion mit gleichaltrigen erleben und erlernen durften? Es wird im nächsten Jahr erstmals Kinder geben, die auf Grund der Pandemie und den hierdurch bedingten Einrichtungsschließungen nahezu isoliert aufgewachsen sind und erstmals in der Schule auf weitere, fremde Kinder treffen, neue soziale Kompetenzen erlernen müssen – obwohl diese bereits im Kindergartenalter erlernt werden sollten. Genau diese Kinder sind es auch, die ihre Umgebung nur mit Maske kennen lernten.

Aus diesen Erfahrungen müssen wir Konsequenzen ziehen: Starten wir eine Personaloffensive, um mit ausreichend pädagogischem Fachpersonal für künftige Situationen gerüstet zu sein! Um Förderprojekte auch qualifiziert umsetzen zu können. Wir brauchen dringend Informationen zum tatsächlichen Förderbedarf im Bereich der frühkindlichen Erziehung und ein flächendeckendes Kita-Förderprogramm.

Seit Ende Februar wissen wir, dass Millionen von Menschen auf der Flucht sind. Vornehmlich Frauen und Kinder kommen täglich in unsere Kommunen. Unsere Kindertagesstätten und Schulen müssen diese Aufgabe bewältigen, müssen vorbereitet und dementsprechend ausgestattet sein.

Wir benötigen hierfür zusätzliches Personal und zusätzliche Räumlichkeiten. Wir müssen teilweise unbürokratisch und schnell improvisieren dürfen.

Ein Sonderprogramm „Frühkindliche Betreuung und schulische Bildung für auf Grund des Krieges in der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche“ sollte zum einen dem Recht auf Bildung sowie auf der anderen Seite den Trägern gerecht werden, die wir durch Kostenübernahme für diese Zusatzaufgabe entlasten müssen. Auch hier gilt es, das Konnexitätsprinzip einzuhalten.

Sowohl die durchlebte Corona- als auch die Flüchtlingssituation wird den Bedarf an Kita-Sozialarbeit ansteigen lassen. Die soziale Arbeit hat bereits jetzt für Kindergartenkinder eine hohe Relevanz. Zwar gibt es über das „Sozialraumbudget“ die Möglichkeit, vereinzelt die Kita-Sozialarbeit zu fördern, dies kann aber keine Lösung für ein solch relevantes Thema sein.

Wir benötigen flächendeckend ein Programm, welches die soziale Arbeit in Kindertagesstätten stärkt, damit allen Kindern die Möglichkeit sozialer Unterstützungsangebote eröffnet wird. Analog zur Schulsozialarbeit sollten wir einen Haushalts-Titel schaffen, in denen Mittel zu dieser relevanten Arbeit ausgewiesen sind.

Das Kita-Zukunftsgesetz hatte ich an dieser Stelle bereits angesprochen – ein Gesetz, welches den Status quo von vor zwei Jahrzehnten als Förderkriterium zugrunde legt. Gut ist definitiv anders!

Aber nun ist es da. Das Kita-Zukunftsgesetz. Und da wir alle dieses Gesetz umsetzen und bereits in der Umsetzungsphase nicht weiter torpedieren wollen, müssen wir gemeinsam die Rahmenbedingungen schaffen, die es benötigt.

Für sieben Stunden Öffnungszeit brauchen wir Speise- und Ruheräume in unseren Kitas. Wir können zwar in einer Übergangszeit von unseren Erzieherinnen und Erziehern verlangen, dass diese als Möbelpacker den Bewegungsbereich zuerst als Speisebereich herrichten, bevor sie die Tische und Sitzmöbel wieder abbauen, um einen Ruhebereich zu schaffen. Dies sollte aber innerhalb einer absehbaren Zeit wieder der Vergangenheit angehören. Schließlich sind sie keine Möbelpacker, sie sind Pädagogen, die unsere Kinder fachlich gut betreuen.

Wir benötigen ein faires Kita-Bauprogramm, um die tatsächlichen Raumbedarfe der Kitas nach dem Kita-Zukunftsgesetz zu finanzieren und angepasste Investitionsmittel, um unsere Kindertagesstätten in den kommenden Jahren auf den notwendigen Bedarf zu erweitern. Wenn wir als Land bestellen, so müssen wir auch bezahlen. Da ist es wieder: das Konnexitätsprinzip.

Ein weiteres Thema ist die Inklusion. Wir sind nicht alle gleich. Menschen sind verschieden, sind individuell. Und jeder Mensch hat das Recht und die Pflicht, dass Unterschiedlichkeit anerkannt und auf individuelle Bedürfnisse eingegangen wird. Keiner hat sich selbst gemacht.

Wenn Inklusion keine leere Worthülse sein soll, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass Inklusion bereits im Kindergarten gelebt wird. Wir sind aufgefordert, Inklusion wirklich zu leben, Bedarfe für die Inklusion an Kindertagesstätten zu ermitteln, die inklusive Bildung im Elementarbereich als einrichtungsbezogener Ansatz weiterzuentwickeln und die Kitaträger hinreichend finanziell auszustatten, um Inklusion flächendeckend und qualitativ hochwertig anbieten zu können.

Ein weiterer Schritt in die gemeinsame Teilhabe ist die Investition in sogenannte Telepräsenzroboter oder auch Avatare. Sicherlich haben Sie davon bereits in der Presse gelesen. An dieser Stelle danke ich für die Berichterstattung zu diesem wichtigen Thema.

107.964 Euro sind ein überschaubarer Betrag für die Anschaffung von landesweit zunächst 36 Avatare, die an unseren Schulen dazu führen können, dass Kinder, die auf Grund absehbar längerer Erkrankung, temporär über diese Roboter am Unterricht und den sozialen Kontakten in der Schule, dem Klassenverband, teilhaben können. Lassen sie uns gemeinsam diesen Versuch wagen, Kinder wieder im Schulalltag eine Teilhabe zu ermöglichen. Überall, wo diese Helfer bereits eingesetzt sind, bekommen diese beste Kritiken – von Lehrern, Mitschülern, Eltern und vorne weg natürlich von den betroffenen Kindern selbst, die hierdurch ein neues Miteinander erfahren dürfen.

Ich bitte Sie, unsere Anträge zu unterstützen.

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