Sehr geehrte Damen und Herren,
unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft, verändert sich. Dies ist nichts Neues. Doch noch nie haben sich solche nachhaltigen Entwicklungen, wie wir sie heutzutage erleben, so schnell abgespielt. Im vergangenen Jahrzehnt haben große Konzerne, aber auch kleine Start-Ups ihre Chancen erkannt und sich die Möglichkeiten der Digitalisierung zu Nutzen gemacht.
Und das mit beträchtlichem Erfolg.
Sieht man doch, wie internationale Onlineriesen wie Amazon heute dem Einzelhandel den Rang ablaufen und das Wasser abgraben.
Gerade die Coronapandemie und die damit einhergehenden Maßnahmen haben die lokalen Einzelhändler zusätzlich in Bedrängnis gebracht, während Onlinehändler, aber auch digitale Werbeträger, Suchmaschinen und Streamingdienste massiv profitierten.
Umkehren, meine Damen und Herren, wird sich diese Entwicklung nicht mehr, sondern sich eher noch verstärken. Denn mit der Zeit liegt ein zunehmender Anteil der Kaufkraft in den Händen der nachfolgenden Generationen, die bereits mit Onlineshopping aufgewachsen sind.
Wenn diese Entwicklung sich so fortsetzt wie derzeit abzusehen, droht unseren Innenstädten ein schlimmes Schicksal. Schon jetzt häufen sich Klagen über Leerstand und Geschäftsaufgaben, verwaisen mancherorts ganze Straßenzüge. Hier ist die Politik, hier sind wir, meine Damen und Herren, in der Pflicht, neue Anreize zu setzen und unsere Innenstädte vor dem Aussterben zu bewahren!
Einerseits muss dafür die Attraktivität und Anziehungskraft der Innenstädte gefördert werden. Die noch präsente Vorstellung von der Innenstadt als Aneinanderreihung von Shopping- und Fressmeilen, wie es von manchen noch immer angestrebt wird, ist nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr braucht es Erlebnisse, die durch Onlineangebote nicht ersetzt werden können. Etwa Spezial- und Historienmärkte, kulturelle Angebote, Spezialitätenläden, Bars, Restaurants und eine familienfreundliche Innenstadtgestaltung, natürlich gepaart mit einer guten Verkehrsanbindung, insbesondere durch bezahlbaren ÖPNV.
Andererseits müssen auch die lokalen Einzelhändler für das digitale Zeitalter fit gemacht werden. Das bedeutet übrigens nicht, irgendwo Geldtöpfe aufzustellen und darauf zu hoffen, dass die schon jetzt von Bürokratie und Vorschriften erschlagenen Ladenbesitzer den Weg dorthin finden. Vielmehr braucht es aufsuchende Förderangebote, die neben Hilfestellungen zur Beantragung der Fördergelder auch konkrete Investitionskonzepte zu erarbeiten helfen, damit das Geld nicht am Ende verpufft. Jeder Kommune ist es dringend zu empfehlen, einen City-Manager, der hier zusätzlich beratend und informierend auf die einzelnen Akteure zugeht, in Dienst zu nehmen. Eben einen der sich kümmert und anleitet.
Anzuführen ist an dieser Stelle das Förderprogramm „ReStart“, in dessen Rahmen Coaches, durch EU-Gelder finanziert, Kleinstunternehmern und Soloselbstständigen in Rheinland-Pfalz beratend und unterstützend zur Seite stehen. Die von Ihnen (zur AfD) so geschmähte EU leistet hier also einmal mehr einen wertvollen und zukunftsweisenden Beitrag vor Ort. Programme wie diese müssen dringend ausgeweitet und mit dem Schwerpunkt Digitalisierung auch zur Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen zur Verfügung stehen!
Einen erfolgversprechenden Weg ist der Koblenzer Gründer Tobias Lütke mit seinem in Kanada ansässigen Unternehmen „Shopify“ gegangen, indem er kleinen und mittelständischen Unternehmen, mittlerweile aber auch Konzernen ermöglicht, eigene Onlineshops einzurichten und bei Bedarf die Logistik auszulagern. Auch dies eröffnet den Einzelhändlern deutscher Innenstädte Möglichkeiten, im digitalen Zeitalter Schritt zu halten und auch überlokal Kunden anzusprechen. Machen wir uns nichts vor, der Status Quo der vergangenen Jahrzehnte ist nicht zu halten. An dieser Stelle zeigt der Antrag der AfD wenig Kreativität, keinen Sinn für die Veränderungen und Entwicklungen, die unsere Gesellschaft derzeit durchläuft. Mit Geld und einer Ausweitung der Verkaufsoffenen Sonntage will man hier an Vergangenem festhalten, anstelle die Zukunft zu gestalten. Gerade Sie, liebe AfD, die doch immer ihre Familienfreundlichkeit betonen, sollten größten Abstand davon nehmen wollen, die Familien durch Belegung weiterer Familiensonntage noch stärker zu belasten und zu entzweien. Einen völlig anderen Ansatz verfolgt hingegen der noch zu besprechende CDU-Antrag, der lediglich Rechtssicherheit in das Konzept der Verkaufsoffenen Sonntage bringen will.