Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
nachdem die FDP zumindest einen Teil des gestrigen CDU-Themas übernommen hat, erlauben Sie mir, dass auch ich mich auf den entsprechenden Beitrag unseres Redners beziehe. Herr Wefelscheid hat treffend dargestellt, dass das mittelständisch strukturierte Handwerk eine wichtige Säule der rheinland-pfälzischen Wirtschaft ist. Aber die hohe Leistungsfähigkeit des Handwerks ist mittel- und langfristig in Gefahr, weil die Betriebe seit Jahren mit einem zunehmenden Nachwuchs- und Fachkräftemangel zu kämpfen haben.
Das Problem hat mehrere Ursachen. Die bedeutsamste: Die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, in dem die Hauptschule ganz klar die erforderlichen Kompetenzen für einen Handwerksberuf vermittelte, war und ist eine Katastrophe – auch deshalb, weil ein Ersatz für diesen bewusst gesetzten früheren Schwerpunkt bisher nicht geschaffen wurde.
Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass diese drastische Veränderung der Schullandschaft so einfach möglich war, liegt darin, dass immer mehr Kinder, auch solche mit unterdurchschnittlichen schulischen Talenten, von ihren Eltern dazu ermuntert oder angehalten werden, das Abitur anzustreben, koste es, was es wolle. Daher sind es inzwischen rund 70% aller Jugendlichen, die diesen Abschluss erreichen möchten, um dann danach studieren oder eine Ausbildung in einem „sauberen Beruf“, beispielsweise bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen, antreten zu können.
Niveauprobleme an den Schulen, zunehmende Studienabbrüche an den Hochschulen und die Tatsache, dass sich immer weniger junge Leute um einen Ausbildungsplatz in einem Handwerksbetrieb bewerben, sind der Preis, den unsere Gesellschaft für diese überzogene Akademisierung bezahlen muss.
Wie soll es weitergehen? Es wäre sicherlich falsch, wegen der Nachwuchssorgen des Handwerks verstärkt auf ausländische Fachkräfte zurückzugreifen – auch wir haben bestens geeignete junge Leute, die nur zu diesen Berufen hingeführt werden müssen. Mittel- und langfristig wird dies über das Einkommen geschehen – schon jetzt verdienen gute Handwerker oft mehr als mittelmäßige Akademiker. Doch wie können wir das beschleunigen? Wie können wir jungen Leuten Lust darauf machen, diesen sinnvollen und gesellschaftlich notwendigen Weg einzuschlagen, ohne wieder das Schulsystem umzukrempeln – was trotz aller Kritik fatal wäre?
Ein Beispiel: Die Praxis vieler weiterführender Schulen, ein zwei- oder dreiwöchentliches Praktikum zu verlangen, reicht auch im Ansatz nicht dafür aus, ein attraktives Bild von nichtakademischen Berufen zu vermitteln. Viel besser wäre es, z.B. an den immer stärker frequentierten Ganztagsschulen langfristig angelegte Arbeitsgemeinschaften einzurichten, in denen das außerschulische Berufsleben vorgestellt und in der Realität erlebt wird. Vor allem muss dabei auch geübt werden, wie man Materialien geschlechtsneutral behandelt.
Ich habe in einem der ersten rheinland-pfälzischen privaten Ganztagsgymnasien unterrichtet, wo genau dies schon vor vielen Jahren gängige Praxis war, die tatsächlich des Öfteren zu einem entsprechenden Beruf führte. Eine solche schulische Zielsetzung muss unbedingt von einer ständigen Beratung der Schülerinnen und Schüler und insbesondere der Eltern begleitet werden, um ihnen bei einer bestmöglichen Zukunftsbewältigung zu helfen.
Des Weiteren eröffnet eine Ausbildung im Handwerk nach der anschließenden Meisterprüfung auch den Weg zum Studium – mit wertvollem Wissen aus der Praxis ausgestattet. Allerdings darf dies nicht zur Abwanderung solcher hochqualifizierten Menschen in andere Bereiche zur Folge haben.
Aber das alles führt nur dann zum Ziel, wenn sich die gesellschaftliche Einstellung ändert, wenn akademische und nichtakademische Ausbildung und Arbeit als gleichwertig anerkannt und vor allem geachtet werden. Darauf muss die Politik hinarbeiten.
Wir müssen alles dafür tun, dass der „Meister des Handwerks“ ein attraktives Berufsziel ist. Denn die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes ist auch untrennbar mit der Qualität sowie der Handlungs- und Leistungsfähigkeit des Handwerks verknüpft. Den Schulen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Hier sind sowohl die Landesregierung als auch wir alle gefragt.