67. Plenarsitzung – Helge Schwab zu “Stärkung der Suizidprävention in Rheinland-Pfalz”

Besprechung der Großen Anfrage der CDU-Fraktion

Video: Landtag RLP

Wir haben ja bereits viele Zahlen und Fakten gehört, doch lassen Sie mich noch auf ein Alarmzeichen hinweisen: Nach Angaben der Berliner Fachstelle für Suizidprävention haben allein im Jahr 2022 bundesweit 10.119 Menschen Suizid begangen. Aktuellere Zahlen gibt es nicht, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion beruht sogar nur für den Zeitraum von 2017 bis 2021 auf einer soliden Datengrundlage. Demnach setzen in Rheinland-Pfalz jährlich rund 500 Menschen ihrem Leben selbst ein Ende.

Die Zahlen sind erschreckend.

Auch wenn der Vergleich auf den ersten Blick unpassend erscheinen mag, sei darauf hingewiesen, dass im vergangenen Jahr auf deutschen Straßen 2.830 Menschen durch Unfälle ihr Leben verloren haben. Suizidprävention ist also eine große Herausforderung. Wir dürfen also auf die Details des von der Landesregierung angekündigten Aktionsplan zur Stärkung der seelischen Gesundheit der Bevölkerung gespannt sein. Mit Blick in die Zukunft sollte man meiner Meinung nach nicht allzu optimistisch sein. Räumt doch die Landesregierung ein, dass keine Evaluationen und keine Statistiken darüber vorliegen, inwieweit einzelne Maßnahmen und Präventionsprojekte zur Verhinderung von Suiziden beitragen.

Es dürfte aber auch kaum möglich sein, diese Statistiken zu erstellen, zumal wir auch über die tatsächliche Anzahl der Suizidversuche so gut wie nichts wissen. Außerdem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, weil der übermäßige Konsum von Suchtmitteln durchaus als Suizid auf Raten interpretiert werden kann. So meldete der Mitteldeutsche Rundfunk, dass allein im Jahr 2023 genau 2.227 Menschen infolge des Konsums illegaler Substanzen verstorben sind.

Und dann steht da noch ein Elefant im Raum – den viele nicht sehen wollen – die Folgen des Alkoholismus. So wird geschätzt, dass allein 2016 rund 43.000 Männer und 19.000 Frauen Opfer ihrer Sucht geworden sind. Man könnte jetzt mit den Schultern zucken und sagen: „Das kann man nicht ändern. Der Staat kann die Verantwortung eines jeden für sich selbst nicht auch noch übernehmen.“ So einfach können wir es uns aber nicht machen, die Aufgabe unseres Gemeinwesens ist es auch, die Schwächsten zu unterstützen und zu begleiten.

Zugegeben: Das ist eine schwierige Aufgabe, zumal wir wissen, dass viele Suizide eben nicht auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind. Viele sensible Menschen zerbrechen an persönlichen Rückschlägen oder Lebenskrisen, sehen für sich keinen Ausweg mehr. In der Antwort auf die Große Anfrage werden ja ausführlich die bestehenden professionellen und ehrenamtlichen Hilfsangebote für suizidgefährdete Menschen beschrieben.

Auf den ersten Blick sind die Zahlen beeindruckend, doch zeigt sich im Alltag immer wieder, dass oft Monate vergehen, bis Betroffene tatsächlich psychotherapeutisch betreut werden können. Ein Ausweichen auf die Angebote von Diplom-Psychologen ohne Kassenzulassung ist nur bedingt möglich, weil die Kosten nur in Ausnahmefällen übernommen werden und in der Regel privat zu bezahlen sind.

Ob ein weiterer Ausbau der Betreuungsangebote das Problem lösen wird? Zweifel sind angebracht.

Auf jeden Fall müssen wir zuerst einmal diagnostizieren, wie krank und verroht unsere Gesellschaft wirklich ist.

Ich meine: Die Schattenseiten der rasant fortschreitenden Digitalisierung und der zunehmenden Individualisierung, verbunden mit dem Verschwinden gewachsener Strukturen im beruflichen und privaten Umfeld, werden allmählich sichtbar. Zu Zeiten, in denen wir am Abend auf der Straße Federball spielten oder mit Nachbarn am Gartenzaun ein Feierabendbier tranken gab es sicherlich auch Suizide.

Ich glaube aber, dass es weitaus weniger waren, als in unserer heutigen, schnelllebigen und teilweise einsamen Digitalwelt.

Das Thema Vereinsamung ist ein großes Thema in der Politik, und wir müssen uns auch fragen, warum die Zahl der Suizide bei Männern dreimal so hoch ist wie bei Frauen. Aktuell gibt es also mehr Fragen als Antworten.

Eines ist allerdings klar: Wir alle – und hier nehme ich keinen aus – müssen uns überlegen, wie wir das gesamtgesellschaftliche Klima verbessern können, bevor wir an die Detailarbeit gehen. In einer Zeit, in der wir gefühlt mehr Fake-News und Halbwahrheiten als saubere Recherchearbeiten vorgesetzt bekommen, sollten wir uns alle Gedanken über ein grundsätzliches Miteinander machen.

Aber Hand aufs Herz – Kein neues Phänomen.

Ich empfehle ihnen Reinhard Mey – Was in der Zeitung steht.

Selbstverständlich begrüßen wir die Forderung der CDU-Fraktion nach konkreten Maßnahmen zur besseren Suizidprävention. Wir stimmen dem Antrag der CDU zu.

Es gilt das gesprochene Wort.

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