FREIE WÄHLER im Mainzer Landtag kritisieren fehlende Transparenz
MAINZ. Im Zuge der ersten Maßnahmen nach der Flutkatastrophe im Ahrtal wurden auch sogenannte Infopoints eingerichtet, um Flutopfer zu beraten. Die FREIE-WÄHLER-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz kritisiert, dass die Vergabe dieses wichtigen Beratungsangebots für Betroffene nicht so transparent lief, wie man es hätte erwarten können. Stephan Wefelscheid, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, hat nun vom Ministerium für Inneres und für Sport eine Antwort auf seine Kleine Anfrage erhalten. Zufrieden ist er damit nicht und fordert rückhaltlose Aufklärung: Offensichtlich wurde die Möglichkeit einer lukrativen Auftragserteilung im Vorfeld nicht groß verbreitet und im Nachgang nicht groß berichtet.
Das Ministerium bestätigt in seiner Antwort, dass die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) am 7. September 2021 im Rahmen der Einsatzleistungen einen Dienstleistungsauftrag an die „m2a artitude Betriebs GmbH“ mit Sitz in Frankfurt vergeben hat. Konkret geht es um bis zu 15 Mitarbeiter für die Infopunkte in der Besoldungsgruppe E6 und eine Verwaltungskostenpauschale von 15 Prozent je eingestelltem Helfer pro Monat. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit und mit einer monatlichen Kündigungsfrist geschlossen. Nach der Beendigung der Einsatzleitung durch die ADD am 1. Oktober 2021 wurde laut Aussage des Ministeriums nach Auskunft der Kreisverwaltung Ahrweiler dieser auf den Landkreis Ahrweiler umgeschrieben.
Auch wenn der Landkreis Ahrweiler den Vertrag mit dem Frankfurter Unternehmen zum 31. Dezember 2022 gekündigt hat, kritisieren die FREIEN WÄHLER das Vorgehen scharf. „Wieder einmal kommen nach langer Zeit überraschende Details über die Arbeitsweise der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in den Wochen nach der Flut ans Licht der Öffentlichkeit. Und wieder einmal steht die ADD und ihre ehemalige Vizepräsidentin Begoña Hermann im Zentrum des Geschehens“, kritisiert Stephan Wefelscheid.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FREIEN WÄHLER im Mainzer Landtag weist darauf hin, dass die Landesregierung nun bestätigt hat, was gerüchteweise im Ahrtal schon länger kursierte, nämlich dass die ADD Personal für die Infopoints gegen gutes Geld von einer Eventfirma aus Frankfurt am Main erhielt. „Eben von jener Firma, deren Geschäftsführerin die damalige Fluthelferin und jetzige Geschäftsführerin der Helferstab gGmbH ,Missy Motown‘ ist“, so Stephan Wefelscheid weiter.
Die FREIEN WÄHLER gehen davon aus, dass Art und Umfang des Personalüberlassungsvertrages auch für weitere Interessenten ein lukrativer Auftrag gewesen wäre. „Da stellen sich mir die Fragen: Welche weiteren Firmen wurden denn noch angefragt, außer der Firma von ,Missy Motown‘? Und welche Leistungsmerkmale führten letzten Endes dazu, den Auftrag gerade an diese Event Firma aus Frankfurt am Main zu vergeben?“ Das sagt der Parlamentarische Geschäftsführer. Aus seiner Sicht ergeben sich wieder einmal mehr Fragen als Antworten. „Dieser gesamte Vorgang muss schonungslos aufgeklärt werden“, fordert Stephan Wefelscheid.
Nach Berechnungen der FREIE-WÄHLER-Landtagsfraktion geht es um einen stolzen Betrag von 45.737 Euro im Monat – inklusive einer Verwaltungspauschale von 15 Prozent. Wie die Fraktion auf diesen Betrag kommt? Sie geht von 15 Stellen der Besoldungsgruppe E6 nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) aus. Das entspricht einer Besoldung von 2.651,42 Euro pro Monat und je Stelle.
„Legt man die Dauer des gesamten Projektes von September 2021 bis Dezember 2022, also 16 Monate zugrunde, kommt unter dem Strich ein stolzer Betrag von 731.792 Euro inklusive einer Verwaltungspauschale von 95.451,20 Euro“, rechnet Stephan Wefelscheid vor. Er weist auch darauf hin, dass dieser Betrag laut Aussage der Landesregierung unter anderem aus den Leistungen an Kommunen im Zuge der Flutkatastrophe stammt.
Auch wenn das Innenministerium in seiner Antwort auf ein Rundschreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 19. Juli 2021 verweist, nach dem Vergabeerleichterungen – auch für Dienstleitungen – im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe zulässig sind, erscheint aus Sicht von Stephan Wefelscheid das Vorgehen der ADD im konkreten Fall als höchst merkwürdig: „Aufgrund geltender Richtlinien war die ADD zwar dazu berechtigt, auch jenseits EU-Schwellenwertgrenze von 214.000 Euro Aufträge im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb formlos zu erteilen. Bei einem derart großen Auftragsvolumen wäre es aber sicherlich ratsam gewesen, das Verfahren trotzdem so transparent und öffentlich wie möglich zu gestalten. Denn an der Ahr waren zu diesem Zeitpunkt sehr viele freiwillige Fluthelfer im Einsatz, die sicherlich auch über Kontakte verfügen. Ich bin mir sicher, dass es auch weitere gute Angebote gegeben hätte, wenn wenigstens die lokalen Akteure von der Vergabe gewusst hätten. Mehr Transparenz hätte sicherlich gutgetan.“