Aktuelle Debatte auf Antrag der FREIE WÄHLER-Fraktion
Sie können sich sicherlich noch gut an die 50. Plenarsitzung am 27. September 2023 erinnern.Damals stand unter anderem die Aufarbeitung der Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie auf der Tagesordnung – ohne dass die Debatte mit einem greifbaren Ergebnis abgeschlossen werden konnte.
Ich denke, wir sind heute ein gutes Stück weiter. Und ich begrüße es ausdrücklich, dass wir uns mehrheitlich inzwischen darauf verständigt haben, die Aufarbeitung der Corona-Krise aus rheinland-pfälzischer Sicht zum Thema der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses – möglichst am 16. Mai – zu machen.
Zumindest aus bundespolitischer Sicht hat sich in der Corona-Zeit so mancher nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Es wäre wahrscheinlich Gras über so manche Sache gewachsen, wenn nicht der Journalist und Publizist Paul Schreyer seine Einsichtnahme in die „Corona-Protokolle“ des Robert-Koch-Institut gerichtlich durchgesetzt hätte.
Die Folge: Jetzt begannen auch die großen bekannten Medien, unangenehme Fragen zu stellen. Lassen Sie mich exemplarisch die Beiträge in der Welt vom 27. März 2024 erwähnen. Und plötzlich stand die Frage im Raum: Hat die Politik sich über den Rat von Experten hinweggesetzt oder nur das berücksichtigt, was gerade – aus welchen Gründen auch immer – gerade opportun war? Wir könnten jetzt sagen „das ist doch eine Bundesangelegenheit“ und uns entspannt zurücklehnen.
Können wir das wirklich? – Ich meine nein!
Im Zeitraum vom 19. März 2020 bis zum 30. September 2022 gab es insgesamt 34 Corona-Bekämpfungsverordnungen der Landesregierung. Da sei doch die Frage gestattet, ob dabei wirklich nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern vielleicht auch Reaktionen auf den via Berlin ausgeübten Druck im Hintergrund standen. Um dies Vorwegzunehmen: Es geht mir nicht darum einzelne Menschen an den Pranger zu stellen oder personelle Konsequenzen heraufzubeschwören!
Ich habe den Eindruck, dass das Interesse an einer transparenten Aufarbeitung in den Jahren von 2020 bis 2022 auch bei uns in Rheinland-Pfalz zugenommen hat. Der bevorstehende gemeinsame Antrag der Ampelfraktionen, der CDU und uns, eine öffentliche Sachverständigenanhörung durchzuführen, kommt nicht von ungefähr. Wir sind aber auch der Überzeugung, dass es besser gewesen wäre, schon früher eine Expertenrunde zu etablieren. Die Voraussetzungen waren ja bereits erfüllt.
Ich erinnere daran, dass es bereits von Juli bis Dezember 2020 eine Enquete-Kommission zum Thema Corona gegeben hat. Wir als FREIE WÄHLER Landtagsfraktion waren damals noch nicht im Landtag in Rheinland-Pfalz vertreten.
Dennoch meinen wir: Die Landesregierung hat es damals versäumt, eine tragfähige Folgeeinrichtung zu dieser Enquete-Kommission zu schaffen.
Dabei wäre es seinerzeit sehr wichtig gewesen, sofort eine Institution zu etablieren, die weitere Corona-Maßnahmen unabhängig, transparent sowie – und das ist besonders wichtig – öffentlichkeitswirksam begleitet und evaluiert. Alle Menschen in diesem Land haben eine vernünftige Aufarbeitung nicht nur verdient, sondern auch einen Anspruch darauf – vor allem dann, wenn sie heute noch unter den Folgen der Corona-Jahre leiden.
Wie das in der Praxis funktionieren kann, hat das Saarland vorgemacht.
Zur Erinnerung: Am 5. und 6. September 2023 fand im Saarland eine Expertenanhörung statt. Das erklärte Ziel: Erkenntnisse für den Umgang mit künftigen Pandemien zu gewinnen. Auch sollte herausgearbeitet werden, was in der Corona-Zeit nicht so gut gelaufen ist. Wir als FREIE WÄHLER Landtagsfraktion bleiben grundsätzlich bei der Haltung, dass das „Saarländer Format“ auch bei uns in Rheinland-Pfalz gut funktionieren könnte. Und wir freuen uns darüber, dass wir mit dieser Ansicht neben der CDU nun auch mit den Ampelfraktionen nicht alleine stehen.
Der Anlass könnte aktueller nicht sein: Auch wenn man in Berlin und andernorts immer noch der Meinung ist, durch die Maßnahmen das Schlimmste verhindert zu haben, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, auch über nachteilige Auswirkungen eben dieser Maßnahmen zu sprechen. Auch in Rheinland-Pfalz.
An dieser Stelle nur drei Beispiele: die Isolierung von Kindern und Jugendlichen in den elterlichen Wohnungen sowie die von Senioren in Pflegeeinrichtungen und Patienten in Krankenhäusern.
Wissen wir doch alle, dass eine große emotionale Belastung zum sogenannten „Broken Heart Syndrom“ führen kann, das im Extremfall sogar zum Tod führt.
Aber auch die unsäglichen Ausgangssperren seien an dieser Stelle nochmals erwähnt.
Gerade auch rechtliche Hintergründe und Konsequenzen bedürfen einer Nachbetrachtung, um für kommende Situationen besser gerüstet zu sein! Schon in der eingangs erwähnten Debatte am 27. September 2023 habe ich gesagt: „Wir brauchen einen kontinuierlichen Aufarbeitungsprozess und eine Verstetigung des Evaluierungsprozesses mit flexiblen Gestaltungs-möglichkeiten durch die Anhörung der unterschiedlichsten Fachleute.“ Und dies meine ich auch so.
Dabei sollten wir nicht den Fehler machen, engagierte Kritiker der Maßnahmen pauschal von der Debatte auszuschließen. Wir müssen vielmehr genau zuhören. Gerade jetzt ist es besonders wichtig, miteinander die gesellschaftlichen und individuellen sozialen Folgen aufzuarbeiten, Befürworter und Kritiker der Maßnahmen an einen Tisch zu bringen. Eine vernünftige multiperspektivische Aufarbeitung der Corona-Krise ist ein wichtiger Beitrag für die Zukunftssicherung unseres Landes!
Es geht mir persönlich um die Nachhaltigkeit für künftige Generationen von Entscheidungsträgern unter der Überschrift „lessons learned“: Das systematische Sammeln, Bewerten und Verdichten von Erfahrungen, Entwicklungen, Hinweisen, Fehlern und Risiken. Damit wir künftig weniger Fehler machen. Ich sage es abschließend noch einmal: Diesen Anspruch haben unsere Bürgerinnen und Bürger zu Recht. Auch angesichts der Spätfolgen dieser Krise bin ich der Überzeugung, dass umfassende Aufklärung eigentlich im Interesse aller sein müsste.
Wir FREIE WÄHLER sind dazu bereit. Objektiv, Wissbegierig und Unvoreingenommen.
Es gilt das gesprochene Wort.