60. Plenarsitzung – Helge Schwab zu “Rekordinvestitionen für den Bildungserfolg – Startchancenprogramm vereinbart”

Aktuelle Debatte auf Antrag der FDP-Fraktion

Video: Landtag RLP

Der Knoten ist geplatzt: Mit dem Startchancenprogramm wurde ein wichtiges Investitionspaket für mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit auf den Weg gebracht – da kann ich mich vielen meiner Vorredner nur anschließen. Und das ist in Anbetracht der Ergebnisse jüngster Schulleistungsstudien auch bitternötig: Sie zeigen zum einen, dass in Deutschland der Bildungserfolg immer noch stark von der sozialen Herkunft abhängt. Und zum anderen fehlen immer mehr Schülerinnen und Schülern die Basiskompetenzen, um dem Unterricht folgen zu können und damit Wissen aufzubauen. Das muss uns alle umtreiben.

In diesem Zusammenhang hat, wie wir alle wissen, die Gräfenau-Schule in Ludwigshafen traurige Berühmtheit erlangt. Sie ist in Rheinland-Pfalz der Inbegriff einer Schule in besonders herausfordernder Lage – es sind genau diese Schulen, die das Startchancenprogramm adressiert. Aber schauen wir uns genau an, wer von diesem geschichtsträchtigen Programm profitieren soll?

Insgesamt werden 20 Milliarden in zehn Jahren investiert – und zwar dort, wo die Herausforderungen am größten sind. Dazu sollen bundesweit etwa 4.000 Schulen ausgewählt werden, die bis zum Schuljahr 2026/27 zu einer Startchancen-Schule werden sollen. Damit folgt man erstmals nicht dem Prinzip des Königsteiner Schlüssels, also dem sogenannten Gießkannenprinzip, sondern bemüht sich um eine faire, bedarfsgerechte Verteilung.

Diese Verfahrensweise stößt bei uns auf große Zustimmung und die FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion weiß selbstverständlich die hohe Investitionssumme zu schätzen, um eine Trendwende einzuleiten. Doch ich wähle bewusst das Wort „einleiten“, denn wenn wir allein in unserem Land auf die Schulen blicken und uns die Leistungsentwicklung der vergangenen Jahre betrachten, dann befinden sich nahezu alle Schulen in einer zumindest herausfordernden Lage. Ich kann es selbst nicht glauben, dass ich dazu einmal Saskia Esken zitiere, um diese Tatsache zu unterstützen. Gegenüber dem Handelsblatt sagte sie nämlich: „Es wäre notwendig, das Programm auf zumindest die Hälfte der Schulen auszuweiten.“ Das wären laut Statista über 16.000 Schulen bundesweit, nicht nur 4.000.

Und was wäre für die Wahl der Startchancen-Schulen aus unserer Sicht noch sinnvoll gewesen? Wenn wir schon den Paradigmenwechsel des Gießkannenprinzips vollziehen, hätte ich mir gewünscht, dass wir zunächst transparente Kriterien für das Etikett „Schule in besonders herausfordernder Lage“ definieren und anschließend überprüfen, wie viele Schulen diese Kriterien erfüllen. Sie alle müssten dann vom Startchancenprogramm profitieren. Denn nur so funktioniert eine bedarfsgerechte Verteilung.

So wie es jetzt ist, kommen die Maßnahmen nur einem kleinen Teil der Schulen zugute. Laut Ministerium sollen zwischen Westerwald und Südpfalz rund 200 Schulen unterstützt werden – darunter aber auch wieder die Schulen, die schon bei bisherigen Förderprogrammen wie etwa „S4 – Schule stärken, starke Schulen“ oder der Bund-Länder-Initiative „Schule macht stark“ dabei waren. Hier muss die Frage erlaubt sein: Wäre das nicht die Gelegenheit, andere und damit mehr Schulen in Rheinland-Pfalz bei den Maßnahmen für mehr Bildungsgerechtigkeit zu bedenken und warum soll diese Gelegenheit nicht genutzt werden?

Zumindest sollte es aber zukünftig unsere Aufgabe sein, genau zu evaluieren, welche Maßnahmen in den Startchancen-Schulen am besten wirken und effektiv zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen, damit wir diese Maßnahmen auch auf andere Schulen übertragen können. Nur so können wir möglichst viele Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, die nötigen Kompetenzen und Zukunftschancen zu erlangen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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