Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP
Bei der Betrachtung des Themas des inklusiven Arbeitsmarktes in Rheinland-Pfalz sprechen wir über weit mehr als nur Richtlinien und Statistiken. Wir sprechen über Menschen und ihre individuellen Geschichten, über ihre Herausforderungen und Talente. Die Antwort der Landesregierung auf den heutigen Tagespunkt zeigt zwar eine positive Entwicklung in der Integration von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt.
Dennoch ist es offensichtlich, dass die Schritte, die bisher unternommen wurden, nicht ausreichen, um die vielschichtigen Herausforderungen eines wahrhaft inklusiven Arbeitsmarktes zu meistern. Insbesondere bei Menschen mit seelischen Behinderungen, wie Autismus, sehen wir deutliche Lücken in der Unterstützung und Integration.
In meinen persönlichen Gesprächen mit betroffenen Bürgern aus meiner Region treffe ich immer wieder auf Fälle, die das Versäumnis des Systems illustrieren, individuelle Talente und Bedürfnisse zu erkennen und zu fördern. Ein junger Mensch aus meiner Region, der trotz seiner beeindruckenden Fähigkeiten in einer Holzwerkstatt und bei der Arbeit mit einem Förster keine dauerhafte Anstellung findet, ist ein klares Beispiel dafür, dass unsere bestehenden Strukturen und Programme nicht ausreichend sind.
Darüber hinaus offenbart die Antwort der Landesregierung auch strukturelle Schwächen. Wir sehen eine Diskrepanz zwischen der formalen Erfüllung von Beschäftigungsquoten und der tatsächlichen, sinnvollen Integration von Menschen mit erhöhten Einschränkungen in den Arbeitsmarkt. Programme wie das Budget für Arbeit und das Budget für Ausbildung, obwohl lobenswert, kratzen nur an der Oberfläche des Problems.
Wir müssen die Verlierer in den Fokus rücken, um sie zu den Gewinnern von morgen zu machen. Der Fachkräftemangel fordert das auch. Dies erfordert ein Umdenken und verstärkte Anstrengungen. In der Tat brauchen wir einen Paradigmenwechsel: weg von einer defizitorientierten Sichtweise hin zu einem Ansatz, der das Potenzial jedes Einzelnen in den Mittelpunkt stellt.
Es ist Zeit, innovative Beschäftigungsmodelle zu fördern, die über traditionelle Arbeitsplätze hinausgehen. Bauernhofgemeinschaften, die jungen Menschen mit Einschränkungen praktische und wertvolle Arbeitserfahrungen bieten, sind ein Beispiel für solche Modelle. Die fortschreitende Digitalisierung bringt neue Herausforderungen, aber auch Chancen. In der IT-Branche gibt es bereits beeindruckende Beispiele, wie Menschen mit Autismus ihre speziellen Fähigkeiten einbringen können. Wir müssen diese Chancen nutzen und sicherstellen, dass digitale Barrieren keinen Ausschluss bedeuten.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Bürokratie. Wir müssen die Prozesse vereinfachen, um die Einstellung von Menschen mit Behinderungen zu erleichtern. Zudem sollten Jugendämter stärker in die Bemühungen um effektive Unterstützung und Orientierung für Menschen mit Behinderungen einbezogen werden. Wie wir im Ausschuss vergangenes Jahr behandelt haben, zeigt der Fall eines jungen Menschen aus Bad Dürkheim, den ich bereits erwähnt habe, dass die Zuständigkeiten oft unklar sind und die Betroffenen keine angemessene Hilfe erhalten.
Der Verweis auf ‚Nichtzuständigkeit‘, der schlussendlich in eine Sackgasse führt, da zwischen Schulabschluss und Volljährigkeit niemand konkret zuständig ist, hilft weder dem Betroffenen noch den Angehörigen, die ihn begleiten. Bessere Koordinationen und Weiterbildungen sind erforderlich, um die Lücken in der Unterstützung zu schließen. Es wäre zudem von großem Wert, wenn die Landesregierung aktiv den Dialog mit der Wirtschaft sucht, um zu eruieren, welche Teile der Produktionsprozesse oder Zubehörteile in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen umgesetzt werden können. Diese Maßnahme würde den Menschen vor Ort eine größere Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen.
Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Autoindustrie, bei der bereits Innenfilter in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen angefertigt werden. Diese Praxis illustriert die vielfältigen Möglichkeiten für eine sinnvolle Integration von Menschen mit Behinderungen in die Produktionskette. In diesem Kontext könnte die Landesregierung prüfen, welche staatlichen Maßnahmen, wie etwa Steuerermäßigungen, für die Förderung solcher Projekte zielführend sind. Es ist enttäuschend, dass die aktuelle Regierungspolitik zwar Fortschritte macht, aber immer noch weit davon entfernt ist, einen wahrhaft inklusiven Arbeitsmarkt zu schaffen.
Als Opposition fordern wir konkrete, durchdachte Maßnahmen, die über oberflächliche Lösungen hinausgehen.
Es gilt das gesprochene Wort.