Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP
Zivilcourage ist nicht erst in diesen Wochen in unserer Gesellschaft mehr denn je gefragt. Aufstehen und Hinweise auf Missstände geben ist auch Zielrichtung des sogenannten „Whistleblowing“ – bezogen auf Unternehmen, Verwaltungen oder etwa auch Hochschulen. Der Whistleblower berichtet aus eigenen Erfahrungen und riskiert als Mitarbeiter oft Benachteiligungen in seinem beruflichen Umfeld, seien es Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Kündigung oder Schädigung seines Rufs und Karriereende. Dem Schutz dieser Hinweisgeber dient die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 und das Hinweisgeberschutzgesetz vom 31. Mai 2023.
Von den 27 EU-Mitgliedstaaten haben mittlerweile 25 Staaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Lediglich in Polen und Estland verzögert sich die Umsetzung noch. Da sind wir in Deutschland mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), welches am 2. Juli 2023 in Kraft trat, weiter und gehen nun mit dem vorliegenden Landesgesetz auch die ergänzende Umsetzung der Richtlinie für den kommunalen Bereich in Rheinland-Pfalz an.
In anderen Bundesländern, etwa Hessen, ist dies bereits erfolgt. Dort ist seit Inkrafttreten des Gesetzes nun das erste halbe Jahr rum, konkrete Erfahrungswerte sind noch nicht bekannt. Doch zeigte ein, bereits vor Erlass des am 2. Juli 2023 in Kraft getretenen Hinweisgeberschutzgesetzes, publik gewordener Fall in Frankfurt das Spannungs- und Risikofeld auf, in dem sich Whistleblower bewegen.
Der Compliance- und Forensik-Experte Kristof Wabl von Transparency International Österreich sprach damals gegenüber der FAZ von einem „Präzedenzfall für kommunale Verwaltungen“ und einem „Paradebeispiel für negative und abschreckende Auswirkungen auf Whistleblower“. Ob die öffentliche Hand es schafft, mittlerweile besser mit dem Schutzcharakter der Hinweisgeber umzugehen, ist zu hoffen.
Wir FREIE WÄHLER begrüßen im vorliegenden Gesetzesentwurf besonders die sinnvolle Ausgestaltung der Möglichkeit der Interkommunalen Zusammenarbeit, um unsere Kommunen nicht noch mehr als ohnehin schon zu belasten. Denn die Kosten, die durch die Verpflichtung zur Einrichtung und zum Betrieb interner Meldestellen bei Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie bei kommunalen und kommunal kontrollierten Unternehmen entstehen, belasten die kommunalen Haushalte mit schätzungsweise kumulierten Einrichtungskosten in Höhe von ca. 1,8 Millionen Euro und kumulierten jährlichen Betriebskosten in Höhe von ca. 2,3 Millionen Euro erheblich.
Einmaligen Einrichtungskosten in Höhe von 2.314 Euro und jährliche Betriebskosten (Personal- und Sachkosten) in Höhe von ca. 8.517 Euro, nach Schätzungen des Bundes, die unsere Kommunen zusätzlich zu tragen haben. Ob diese Kostenschätzung belastbar ist, muss man in Zweifel ziehen, zwar würde 193 Gemeinden und Gemeindeverbände in Rheinland-Pfalz die maßgebliche Einwohnerzahl von 10.000 überschreiten, so die Landesregierung. Ob aber auch das zweite Kriterium der maßgeblichen regelmäßigen Zahl der Beschäftigten ebenfalls überschritten ist für den Anwendungsbereich, bleibt offen, da „keine belastbaren Daten“ vorlägen. Diese gilt es meines Erachtens schnellstens zu erheben, um eine tragfähige Kostenschätzung vornehmen zu können.
On Top der obigen Kosten für Gemeinden und Gemeindeverbände kommen die Kosten bei Zweckverbänden und kommunalen und kommunal kontrollierten Unternehmen in Privatrechtsform sowie Anstalten des öffentlichen Rechts. Eine Anwendung des Konnexitätsprinzips ist nicht möglich. Die EU gibt die Regeln vor, unsere Kommunen müssen aber die finanziellen Belastungen tragen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, das Ziel der Richtlinie, einen besseren Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (sog. Whistleblower) bei der Meldung und Offenlegung von Verstößen im beruflichen Umfeld zu erreichen, unterstützen wir FREIE WÄHLER ausdrücklich. Doch muss die Kostenlast bei der folgenden Umsetzung auch gerecht verteilt werden und nicht auf unsere Kommunen abgewälzt werden.
Davon abgesehen muss ich grundsätzlich Kritik an der Umsetzung der Richtlinie durch die Bundesregierung äußern. Ich bin für den Schutz von Whistleblowern, was die Bundesregierung aber mit dem Hinweisgeberschutzgesetz macht, lässt meine Vorstellung von Freiheit und Verantwortung erschaudern.
Unternehmer sollen ab 50 Beschäftigten eine Meldestelle, wo Mitarbeiter dann Straftaten verschiedenster Art anzeigen, errichten mit einem bombastischen Aufwand an Dokumentation und Verfolgung. Dafür sind die Strafverfolgungsbehörden da! Nichtstaatliche Einrichtungen in die Strafverfolgung derart einzubinden, ist ein Dammbruch und der Offenbarungseid des Staates.
Das entspricht nicht mehr dem Gedanken, Schutz der Whistleblower, sondern es ist die Ausweitung der staatlichen Strafverfolgung auf Private. Das kann nicht sein, dass der private Unternehmer zum Büttel des Staates gemacht wird. Das hiesige Landesgesetz jedoch dient der Ausführung des Hinweisgeberschutzgesetzes für den kommunalen Bereich in Rheinland-Pfalz und hält sich in den rechtlichen Möglichkeiten aber auch Grenzen der EU-Richtlinie und der bundesrechtlichen Regelung des Hinweisgeberschutzgesetzes.
Unser Ziel für Rheinland-Pfalz muss es sein, die Einrichtung von internen Meldestellen effizient und ressourcenschonend zu ermöglichen. Deshalb werden wir den weiteren Gesetzgebungsprozess kritisch begleiten.
Es gilt das gesprochene Wort.