57. Plenarsitzung – Helge Schwab zu „Lehren aus Pisa und IQB: Schulsystem ausdifferenzieren – Handwerks- und Gewerbeschule (HGS) einführen“

Antrag der AfD-Fraktion

Video: Landtag RLP

Direkt zu Beginn möchte ich sagen: Ich empfinde den vorliegenden Antrag als höchst irritierend. Mit der letzten Forderung, sich auf Bundesebene für einen Stopp der Masseneinwanderung einzusetzen, haben Sie sich für die Debatte um gute Bildungspolitik selbst disqualifiziert. Denn es geht Ihnen nicht darum, konstruktive Lösungen aus den jüngsten Schulleistungsstudien zu ziehen, sondern Sie möchten erneut über die Migrationspolitik sprechen. Bitte machen Sie das nicht auf dem Rücken unserer Schülerinnen, Schüler und schon gar nicht auf dem Rücken engagierter Lehrkräfte.

Eigentlich könnte ich hier schon am Ende sein, aber ich möchte dennoch auf zwei Aspekte des Antrags eingehen.

Erstens: Die Befunde des IQB-Bildungstrends und der PISA-Studie dürfen uns nicht unberührt lassen und selbstverständlich müssen wir daraus Konsequenzen ziehen. Unsere Jugendlichen schneiden in Deutsch, Mathematik und in den Naturwissenschaften schlechter ab als noch 2018. Dafür ursächlich sehen wir als FREIE WÄHLER besonders die sinkenden Kompetenzen im Lesen, Schreiben und Zuhören – und das nicht nur bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache.

Aber dafür ist die Einführung der „Handwerks- und Gewerbeschule“ beileibe nicht die Antwort beziehungsweise die beste Lösung. Unsere Schülerinnen und Schüler brauchen gute Deutschkenntnisse, um ihr Potenzial und ihre Fähigkeiten in allen Fächern ausschöpfen zu können. Sie müssen für die Unterrichtssprache interessiert und motiviert sein. Das gilt für alle Schulformen gleichermaßen.

Das, was also hier vorgelegt wurde, ist Schaufensterpolitik.

Ich möchte aber auch noch etwas zur „Handwerks- und Gewerbeschule“ sagen: Unter dem Namen, besser gesagt unter dem Deckmantel „Handwerks- und Gewerbeschule“ wollen Sie zurück zum dreigliedrigen Schulsystem. Ich glaube nicht, dass wir das Rad zurückdrehen können. Während in den Neunziger-Jahren noch über 80.000 Schülerinnen und Schüler eine Hauptschule in Rheinland-Pfalz besuchten, waren es 2010 nur noch rund 9.000. Ein Rückgang um 90 Prozent, obwohl es ohne Frage eine gute Schule war, in der hervorragende Arbeit geleistet wurde.

Der Hauptgrund aber: Die Hauptschule wurde von den Eltern und der Gesellschaft einfach nicht mehr akzeptiert und wertgeschätzt. Mit dem Versprechen, dass alle Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrer Leistung und Eignung individuell gefördert und unterstützt werden, gibt es bis heute die Realschulen Plus. Doch fehlen nach wie vor Ressourcen in diesem System, um dieses Versprechen auch einzulösen – ja, vor allem mangelt es an qualifizierten Fachkräften.

Hier muss sich etwas ändern, doch da hilft leider auch nicht die Rückkehr in das dreigliedrige Schulsystem – auch wenn ich persönlich dieses für sehr effektiv gehalten hatte. Die Eltern stimmten bereits vor 15 Jahren mit den Füßen ab.

Außerdem will ich bei einem Punkt strikt widersprechen: Nicht nur die Realschulen oder eine „Handwerks- und Gewerbeschule“ sollen eng mit Handwerk, Gewerbe und Industrie zusammenarbeiten, sondern aus Sicht der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion gilt das genauso für unsere Gymnasien. Wir sprechen uns für die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung aus.

Wir FREIE WÄHLER wollen, dass alle Schülerinnen und Schüler eine umfassende und praxisorientierte Berufs- und Studienorientierung erhalten. Denn der Fachkräftebedarf von heute und morgen lässt sich nur dann decken, wenn wir unsere Heranwachsenden frühzeitig an das breite Spektrum der Wirtschafts- und Berufswelt heranführen und an allen weiterführenden Schulen die Maßnahmen dafür intensivieren. Wir FREIE WÄHLER hatten dies bereits mehrfach hier in diesem hohen Haus gefordert. Das lässt ihr Antrag völlig außer Acht.

Vielmehr spielen Sie beides – Ausbildung und Studium – gegeneinander aus und zeigen damit, wie Sie denken, nämlich in Schubladen. Aus den genannten Gründen lehnen wir den vorliegenden Antrag ab.

Es gilt das gesprochene Wort.

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