56. Plenarsitzung – Helge Schwab zu “Abschlussbericht der Enquete-Kommission 18/1” – mit Video

“Konsequenzen aus der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz: Erfolgreichen Katastrophenschutz gewährleisten, Klimawandel ernst nehmen und Vorsorgekonzepte weiterentwickeln”

Video: Landtag RLP

Zum guten Schluss darf ich Ihnen nun für die FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion zum Abschlussbericht der Enquete-Kommission 18/1 „Konsequenzen aus der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz; Erfolgreichen Katastrophenschutz gewährleisten, Klimawandel ernst nehmen und Vorsorgekonzepte entwickeln“ unsere Anmerkungen vortragen.

Lassen Sie mich zuvorderst noch einmal an die Opfer der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz erinnern. Unsere Gedanken sind bei ihren Familien, bei den Freunden, die auch 2,5 Jahre nach der Flutkatastrophe den Verlust verarbeiten müssen. – Wenn ein geliebter Mensch geht, bleibt eine Lücke und im Falle der Flutkatastrophe auch die Frage nach dem „Warum“. In den rund zwei Jahren Arbeit der Enquete-Kommission ging es auch um das „Warum“ und vor allen Dingen sollten Antworten gegeben werden, was in Zukunft anders wird.

Was wird anders

  • im Katastrophenschutz
  • der Psychosozialen Notfallversorgung
  • der Risikokommunikation

Was wird anders

  • mit Blick auf öffentliche Schutzräume, Warnsysteme und Warnmittel
  • bei der Einsatzleitung und Einsatzkoordination
  • beim Ehrenamt

Lassen Sie mich als einem Angehörigen unserer Streitkräfte, der Bundeswehr, auf einzelne Punkte näher eingehen, um hier auch eine Bewertung abzugeben.

Gerade die Notwendigkeit von öffentlichen Schutzräumen ist in diesen Zeiten deutlicher denn je!

Nicht nur durch eine Naturkatastrophe wie die Flut im Ahrtal, sondern auch durch die jüngsten Ereignisse wie dem Überfall Russlands auf die Ukraine oder der feigen Hamas-Terror-Attacke auf Israel wird deutlich, dass Sicherheit und Ordnung für die Bevölkerung jetzt einen höheren Stellenwert haben. Insofern sind die Erkenntnisse der Enquete-Kommission im Abschlussbericht ab Seite 62 wertvoll für alle verantwortungsvollen Politiker, ob im Land oder in den Kommunen.

Wir kommen aus einer Zeit der „Friedens-Dividende“, die nunmehr aufgebraucht ist. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius spricht zurecht davon, dass die Bundeswehr wieder „kriegstüchtig“ werden müsse. Recht hat er.

Aber auch die Bevölkerung muss wieder „krisenfähig“ werden, um nicht sogar zu sagen, ebenfalls „kriegstüchtig“.

Was will ich damit sagen: Wir müssen von klein auf wieder Gefahren lehren. Wie reagiere ich im Falle des Falles? Was bedeuten Alarmsignale? Die Resilienz vor Gefahren ist der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten abhandengekommen. Wir sind sorgloser geworden, leben zum Glück seit vielen Jahrzehnten in Frieden und haben es verlernt Gefahren zu erkennen.

Ganz gleich ob es Hochwasser ist, Brandgefahr oder auch die Gefahren des internationalen Terrorismus. Der Bund und die Länder haben 2007 beschlossen, öffentliche Schutzräume aufzugeben. Heute, im Jahr 2023 zeigt sich, dass dies eine Fehleinschätzung gewesen ist.

Wir FREIE WÄHLER sind davon überzeugt, dass es wieder notwendig ist, für die Bevölkerung Schutzräume vorzuhalten, ob nun in Form von Luftschutzbunkern oder als „Rettungsinseln“, wie sie konzeptionell in einigen Kommunen im Land aufgebaut werden. Damit einhergehend ist es zu begrüßen, dass im ganzen Land Warnsysteme modernisiert oder neu aufgebaut werden. Zugleich gibt es Warn-Tage, in denen die Bevölkerung sensibilisiert wird. Auch über Apps auf dem Mobilfunktelefon.

Sicherlich sind dies auch Lehren aus der verheerenden Flutkatastrophe, in denen weite Teile des Staates eklatant versagt haben. Eben gerade weil wir alle es verlernt haben, Gefahren wahrzunehmen, diese zu erkennen. Dazu ist der Untersuchungsausschuss 18/1 „Flutkatastrophe“ tätig, an dieser Stelle erlaube ich mir einen Dank an den Vorsitzenden Martin Haller und die Mitglieder des UA auszusprechen.

Ihre Arbeit ist ebenso wertvoll, wie die der Mitglieder der Enquete-Kommission. Bleiben Sie bitte am Ball, gehen Sie weiterhin den Hinweisen und Fragen nach, die noch zu weiten Teilen bei den Betroffenen unbeantwortet erscheinen.

Meine Damen, meine Herren,

der Abschlussbericht mit seinen fast 360 Seiten wird auch für künftige Generationen noch ein Nachschlagewerk sein. Denn die Erkenntnisse und Vorschläge werden uns auch die kommenden Jahre und sogar Jahrzehnte befassen. Wenn wir die Umsetzung wollen. Die Enquete-Kommission hat ganz sicher auch die Arbeit geleistet, die eigentlich im Ministerium des Innern und für Sport hätte geleistet werden müssen.

Gerade um Missstände im Katastrophenschutz abzustellen und ihn neu aufzustellen: Zur Sicherheit und Ordnung in Rheinland-Pfalz.

Dazu zählt auch die Einrichtung des neuen Lagezentrums für Bevölkerungsschutz in Koblenz.

Es wird nunmehr wichtig sein, sehr geehrter Herr Innenminister Ebling, dass Sie mit der Einrichtung dieses Lagezentrums zugleich auch klare Regelungen treffen. Wir FREIE WÄHLER befürchten Doppelstrukturen, im Falle des Falles im schlimmsten Fall auch Kompetenzgerangel. Wichtig wird es sein, dass dieses Lagezentrum, welches 24/7 für Sicherheit und Ordnung im Land sorgen soll, auch einwandfrei funktioniert. Gleichwohl hoffen wir alle, dass es niemals wieder zu so einer Katastrophenlage kommt, wie wir sie am Juli 2021 erleben mussten. Denn die Enquete-Kommission hatte auch feststellen müssen, dass weder das Innenministerium, noch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) gut aufgestellt gewesen ist.

Die Enquete-Kommission hat unserer Meinung nach den Strukturierungsauftrag des Innenministeriums übernommen und sachdienliche Hinweise gegeben, wie Sicherheit und Ordnung im Land besser aufgestellt werden können.

Im Sondervotum unseres Mitgliedes in der Enquete-Kommission, Dr. Joachim Streit, gibt er auch Hinweise, was FREIE WÄHLER anders bewertet haben:

  • Hochwasserrisikomanagement

Wir regen an, dass in Ergänzung zur Schulung der Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes, es auch eine verpflichtende Einbeziehung der Verwaltungsstäbe in die jeweiligen Veranstaltungen der wasserwirtschaftlichen Fachberatung geben muss.

Der Personalabbau für die Betreuung des Pegelmessnetzes muss beendet werden.

Zudem sollte Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, um ein selbstlernendes System der Hochwasservorhersage zu etablieren. Schon jetzt sollte Rheinland-Pfalz auf ein System aus Baden-Württemberg zurückgreifen und nicht erst warten bis das Projektmodell VISDOM einsatzfähig ist.

  • Technischer Hochwasserschutz/natürliche Hochwasservorsorge

Wir FREIE WÄHLER sind davon überzeugt, dass die regionalen Planungsgemeinschaften gestärkt werden müssen, um entsprechende Gewässerentwicklungskorridore umzusetzen.

Die Förderung von 90% für Hochwasserschutzmaßnahmen muss bleiben.

Für den Erosionsschutz im Ahrtal braucht es eine wasserwirtschaftliche Fachberatung, die auch die Flächen auf den Höhenlagen des Ahrtals in Blick nimmt.

  • Kritische Infrastruktur

Hier schließen sich FREIE WÄHLER den Empfehlungen voll inhaltlich an. Allerdings fordern wir die Landesregierung auch dazu auf, sich für eine angepasste Definition der KRITIS-Kriterien auf Bundesebene einzusetzen. Denn kritische Infrastruktur in ländlich geprägten Bereichen wird sonst von der bestehenden KRITIS-Definition nicht erfasst.

  • Zweckverbände und kommunale Kooperationen im Hochwasserschutz

Wir weichen hier von der Meinung des Abschlussberichtes ab. Wir FREIE WÄHLER sprechen uns für eine zukunftsorientierte Hochwasservorsorge aus und hier für die Errichtung von eigenständigen Wasser- und Bodenverbänden und gegen Zweckverbände. Denn Zweckverbände haben sich in der Vergangenheit immer als sehr unflexibel erwiesen und Entscheidungen mussten durch die Organe der jeweiligen Zweckverbandsmitglieder zunächst vorberaten und beschlossen werden. Die Expertenanhörung hat die Vorteile eines eigenständigen Wasser- und Bodenverbandes klar herausgearbeitet. Schnelle Entscheidungen und hohe Handlungs- und Umsetzungskompetenz zeichnen solche einzugsgebietsorientierten Zusammenschlüsse aus.

Wir FREIE WÄHLER fordern abweichend auch, dass das Land eine Vollfinanzierung solcher kommunalen Zusammenschlüsse übernimmt. Eine Anschubfinanzierung reicht bei weitem nicht aus!

Meine sehr geehrten Mitglieder der Enquete-Kommission, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion bedankt sich bei allen die engagiert in den letzten rund zwei Jahren an der Enquete-Kommission mitgewirkt haben. Sie haben sich vor Ort ein Bild von den katastrophalen Zuständen gemacht, sich über den Wiederaufbau im Ahrtal und den anderen Regionen die von der Flutkatastrophe betroffen waren informiert und mit vielen Experten beraten, wie wir Sicherheit und Ordnung in Rheinland-Pfalz neu denken können.

Jetzt gilt es aus den Ergebnissen und Erkenntnissen auch Taten folgen zu lassen.

Dazu sind wir alle aufgerufen.

Die Landesregierung, wir Abgeordnete – auch in den Fachausschüssen und wir Kommunalpolitiker bei uns in der Heimat.

Unsere Bürger wünschen sich mehr Sicherheit und Ordnung. Der Abschlussbericht der Enquete-Kommission ist hier ein hilfreiches Werk, das wir FREIE WÄHLER zustimmend zur Kenntnis nehmen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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