Gutachten Flutkatastrophe – Stephan Wefelscheid kritisiert Vorgehen

Obmann der FREIEN WÄHLER im Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“ findet deutliche Worte zur Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Koblenz „Flutkatastrophe – Katastrophenschutztechnisches Gutachten liegt vor“ vom 17. Oktober 2023

„Ich bin mehr als erstaunt darüber, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz der Öffentlichkeit das Sachverständigengutachten von Dr. Dominic Gißler erläutert, bevor die Obleute des Untersuchungsausschusses dieses zur Kenntnis bekommen haben. Bis heute Mittag, 17. Oktober 2023, 13.45 Uhr, liegt das Gutachten dem Untersuchungsausschuss nicht vor. Und das, obwohl bereits im Juli die Obleute des Untersuchungsausschusses ausdrücklich und unter Bezugnahme auf den Aktenbeiziehungsbeschluss einvernehmlich die Landesregierung darum gebeten haben, das Gutachten nach Erstattung durch den Sachverständigen dem Ausschuss unverzüglich und ohne weitere Aufforderung als ergänzende Aktenlieferung zu übersenden.

Ich muss damit zum wiederholten Mal feststellen, dass die Landesregierung den Anforderungen des Untersuchungsausschusses nicht so wie geboten nachgekommen ist: Erst die Helikoptervideos, dann die Visualisierung des Flutgeschehens, nunmehr das Gutachten der Staatsanwaltschaft.

Wenn die Landesregierung glaubt, dass sie hier laissez faire an den Tag legen könne in der Annahme, der Untersuchungsausschuss sei ja abgeschlossen, irrt sie sich. Ich hatte bereits vor der Sommerpause angekündigt, mir vorzubehalten, je nach Inhalt des Gutachtens einen weiteren Beweisantrag oder sogar Beweisanträge stellen zu wollen. Nach Sichtung der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Koblenz von heute Morgen wird dieses Szenario wahrscheinlicher.

Denn, wie die Staatsanwaltschaft in der Mitteilung ausführt, gab es zum Zeitpunkt der Flut im Landkreis Ahrweiler weder eine Stabsdienstordnung noch ein Einsatzführungskonzept. Ein Verwaltungsstab wurde nicht einberufen, das Informationsmanagementsystem sei defizitär gewesen und die Technische Einsatzleitung –TEL- sei personell nicht ausreichend ausgestattet sowie das anwesende Personal für das vorliegende Ereignis nicht hinreichend ausgebildet gewesen. Zudem wurde das Modulare Warnsystem (MoWaS) nicht durch die TEL aktiviert und als Verteiler genutzt.

Ausweislich der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft sei es so, dass die TEL auch aufgrund dieser erschwerenden Bedingungen mit der Bewältigung dieses Maximalereignisses komplett überfordert war. Der Hauptvorwurf ist dabei nicht den Mitgliedern der TEL zu machen, sondern den für die Schaffung entsprechender Rahmen- und Einsatzbedingungen Verantwortlichen. Um Dr. Dominic Gißler zu zitieren: „Die anwesenden Personen haben alles gegeben – das Führungssystem ließ nur nicht mehr zu.“

Wie im Rahmen des Untersuchungsausschusses die Sachverständigen Prof. Dr. Bernd Grzeszick und Prof. Dr. Christoph Gusy ausführten, fiel der ADD als übergeordnete Katastrophenschutzbehörde gemäß § 24 LBKG i.V.m. § 6 LBKG die Einsatzleitung im Rahmen der Flutkatastrophe zu. Bedingung für die Übernahme sei jedoch gewesen, dass die ADD bzw. ADD-Präsident Thomas Linnertz auch Kenntnis bezüglich dieser Verantwortung zur Übernahme der Einsatzleitung hatte. Als ADD-Präsident und damit potenzieller Einsatzleiter hätte Thomas Linnertz gemäß der Sachverständigen eine „Orientierungs- bzw. Nachforschungsobliegenheit“ oder auch eine „Gefahrbeobachtungspflicht“ in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 gehabt. Demnach hätte er sich aktiv über die Zustände im Kreis Ahrweiler informieren und die Überforderung der TEL erkennen müssen.

Wir werden jetzt auswerten, welche diesbezüglichen Ansatzpunkte sich aus diesem Gutachten ergeben. Ich erachte es als nicht ausgeschlossen, dass es ein Wiedersehen unter anderem mit ADD-Präsident Thomas Linnertz und Ex-Vizepräsidentin Begona Herrman im Untersuchungsausschuss geben wird. Interessant wird nun auch zu beobachten sein, wie die Staatsanwaltschaft Koblenz ihre Linie halten will, Ermittlungsverfahren nur gegen den Ex-Landrat Pföhler und Ex-BKI Zimmermann zu führen. Denn die personelle und materielle Überforderung der TEL bietet genügend Anlass, darüber nachdenken zu müssen, inwieweit die Einsatzleitung aufgrund dieser Umstände nicht schon bereits am 14. Juli 2021 erkennbar bei der ADD lag. Zumal Maßnahmen wie die Aktivierung von MoWaS definitiv Menschenleben hätte retten können. Die ADD hätte nämlich die Möglichkeit gehabt, MoWaS zu aktivieren.“

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