49. Plenarsitzung – Joachim Streit zu “Sonderwirtschaftszone Ahrtal – Das Ahrtal braucht Zuversicht” – mit Video

Antrag der AfD-Fraktion

Video: Landtag RLP

Es scheint so, dass Jahrestage immer die Gelegenheit bieten, alte Themen erneut mit Leben zu versehen. Mit dem vorliegenden Antrag wird der Fokus auf den Wiederaufbau im Ahrtal durch eine Sonderwirtschaftszone erneut gelegt. Wer die Aufbaumaßnahmen verfolgt – egal ob bei Privaten, bei Unternehmen, bei den Kommunen oder in der Infrastruktur – sieht Fortschritten aber wünscht sich auch schnellere Realisierungen.

Ja sagt Landesregierung – wir sind auf einem guten Weg – und stellt sich selbst ein gutes Zeugnis aus. Nachzulesen in dem aktuellen Wiederaufbau-Bericht. Die Menschen im Ahrtal – und nicht nur da – auch andere Regionen waren schwer betroffen, sehen dies anders. Bei persönliche Besuchen, aber auch in vielen Telefonaten und Emails teilen mir die Menschen mit, dass das lange Warten auf Gutachter, Versicherungen, Handwerker und Genehmigungen zermürbend ist.

Auch wir FREIE WÄHLER wünschen uns manche Fortschritte, weil vieles nicht schnell genug geht. Natürlich wäre es viel besser, wenn in den Flutgebieten mehr Baugutachter wirken würden, die Versicherungen schneller Grünes Licht geben und Mittel auszahlen würden und wenn mehr Bauingenieure und Handwerker im Einsatz wären, damit Baufortschritte schneller verwirklicht werden können.

Aber wir sollten nicht immer auf andere zeigen, sondern unser Handeln kritisch hinterfragen.

Die Betroffenen unterscheiden nicht nach Regierung und Opposition, Kommunalverwaltung und Kreis oder ISB. Die Bürger erwarten, dass der Staat funktioniert – daher sind wir alle gefordert, alle Lösungsansätze und Umsetzungsvereinfachungen in die Beseitigung der Schäden einzubringen.

Aber manchmal hat man den Eindruck, dass pragmatische Lösungen gar nicht so sehr gewünscht sind. Zwei Jahre nach der Flut muss der normale Alltag doch wieder einziehen –leider auch in unsere Amtsstuben. Umweltverträglichkeitsstudien werden gefordert, die Belange des Umweltschutzes wieder höher bewertet, statt den Menschen in den Flutgebieten einfach zu helfen.

Und der Ansatz einer Sonderwirtschaftszone Ahrtal wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Damit würde ein neues Konstrukt geschaffen. Dieses müsste sich dann erst einmal in die wieder allmählich anlaufenden Verwaltungsprozesse einbinden lassen.

Ich vergleiche das gerne mit der Diskussion um ein neu zu schaffendes Landesamt für den Bevölkerungsschutz. Statt in den bestehenden Strukturen für eine saubere Kommunikation und Transparenz in den Entscheidungen zu sorgen, wird über Jahre ein komplett neues Konstrukt aus dem Hut gezaubert – Aufbau, Einbetten in die bestehenden Strukturen, in Wirkung kommen – dies wird Jahre dauern. Ähnlich würde eine jetzt nach zwei Jahren zu beschließende Sonderwirtschaftszone einen Bruch in den mühsam aufgebauten Strukturen bedeuten. Wieder neue Abläufe, neue Bestimmungen, neue Rückfragen und neuer Anpassungsbedarf – haben wir dafür eigentlich die Zeit?

Die Menschen im Ahrtal und den anderen von der Flut betroffenen Gebieten warten aktuell auf pragmatische und schnelle Lösungen. Warum sind von 9.000 zerstörten Häuser erst für rund 3.000 Häuser Antragsunterlagen bei der ISB eingegangen? Diese Frage muss man sich stellen. Da hilft auch keine Sonderwirtschaftszone. Hier muss das Land und damit das für den Wiederaufbau zuständige Ministerium des Innern und für Sport sich jedes Haus vornehmen, den Fall durch Vor-Ort-Besuche der Berater aufnehmen und dann mit allen Beteiligten: Eigentümer, Versicherer, Banken und kommunalen Planern und der ISB die Situation analysieren und ein Umsetzungsszenario entwickeln.

Dieses Aufsuchen der betroffenen Häuslebauer, der überfluteten Betriebe ist wichtig. Und zwar durch Mitarbeiter, die auch nach dem Besuch mit einem fertigen Antrag zur ISB nach Mainz fahren und nicht noch Wochen später weitere Unterlagen anfordern, um überhaupt in die Bearbeitung einsteigen zu können.

Wenn wir gleichwertige Lebensverhältnisse als Maxime unseres politischen Handelns definieren, muss das Projekt „Aufsuchende Hilfe“ an Fahrt gewinnen, statt wie es den Eindruck bei den Menschen in den Flutgebieten hat, langsam auf der Zielgeraden auszulaufen.

Die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone kommt zum jetzigen Zeitpunkt zu spät und wäre nur kontraproduktiv. Deshalb werden wir FREIEN WÄHLER diesen Antrag ablehnen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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