47. Plenarsitzung – Helge Schwab zu „Kinderarzt dringend gesucht“ – mit Video

Aktuelle Debatte auf Antrag der FREIE WÄHLER-Fraktion

Video: Landtag RLP

Wenn Sie, Herr Minister Hoch, oder die Damen und Herren Abgeordneten der Regierungstragenden Parteien nun damit rechnen, dass ich unter diesem Arbeitstitel erneut 250 zusätzliche Studienplätze im Fach Humanmedizin fordere, um das durch die Opposition erkannte Defizit perspektivisch zu egalisieren, dann haben Sie sich verrechnet.

„Kinderarzt dringend Gesucht!“

Am Donnerstag letzte Woche erreichte mich eine Nachricht aus Bitburg mit folgendem Inhalt: „Bitte helfen Sie mir! – Mein Kind ist krank. Es hat seit zwei Tagen Brech-Durchfall. Mein Hausarzt nimmt derzeit keine neuen Patienten auf. Erst Ende Juli könnten wir einen Termin zum Erstgespräch bekommen. Einen festen Kinderarzt haben wir nicht, da auch diese derzeit keine neuen Patienten aufnehmen. In 50 Kilometer Entfernung bekam ich einen Notfalltermin bei einem anderen Kinderarzt. 45 Minuten einfache Fahrt mit einem geschwächten, kranken Kind. Helfen Sie mir bitte, einen Kinderarzt zu finden!“

Werte Kolleginnen und Kollegen,

eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Eltern mit den Kinder- und Jugendmedizinern ist die Basis einer guten Entwicklung unserer Babys und Kinder und macht über eine zuverlässige Lotsenfunktion eine vertrauensvolle Bindung erst möglich. Wer mit seinen Baby oder Kleinkind regelmäßig den Arzt aufsucht weiß, was es praktisch bedeutet, wenn dieser kleine Patient die Kinderärztin oder den Kinderarzt nicht kennt und diesem nicht vertraut. Eine Untersuchung ist dann schlichtweg oft nicht möglich. Der Kinderarzt muss das Kind kennen und dieser muss dem Kind bereits vertraut sein. Dies ist der ganz normale Anspruch und Bedarf zur Begleitung und guten Entwicklung eines gesunden Kindes.

Auch hier gab es bereits im Jahr 2022 verzweifelte Mitteilungen von Eltern, dass sie keinen oder nur sehr schwer in bestimmten Regionen einen Kinderarzt finden.  Dies war auch Gegenstand unserer Kleinen Anfrage vom 15.11.2022. Festgestellt wurde allgemein eine steigende Nachfrage, die Änderungen im Bereich der U-Untersuchungen, die höheren Geburtenraten und der Zuzug von Kindern aus dem Ausland, welche zu diesem höheren Bedarf beigetragen hätten. Die Gründe liegen also auf der Hand. Die Probleme ebenso.

Vor kurzen haben wir uns im Plenum intensiv mit dem Thema Kindeswohl beschäftigt und festgestellt, dass wir hier eine Transparenz zum Schutz unserer Kinder befürworten und die Folgen von gezielten „Arzthopping“ vermeiden möchten. Und nun wird faktisch ein „Arzthopping“ von der Landesregierung empfohlen und die Termin-servicestelle als Lösung angeboten. Es geht nicht darum irgendwo einen Termin bei einem Kinder- und Jugendmediziner zu erhalten. Es geht um eine dauerhaft verlässliche Partnerschaft und Fürsorge für eine gute Entwicklung und kontinuierliche Gesundheitsvorsorge unserer Kinder. Sie können ihre Bedürfnisse nicht selbst äußern und ihren angemessenen Anspruch selbst einfordern, dies müssen wir stellvertretend für sie tun! Unser Gesundheitswesen muss dies stärker berücksichtigen und auf die vorhandenen Belange und Hilferufe reagieren.

In einem offenen Brief vom 27.4.23 hat auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendmediziner e.V. Stellung bezogen und sah die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen auch durch den Medikamentenmangel gefährdet. Als letztes Mittel der Wahl bleibt besorgten Eltern nur das Aufsuchen einer Kinderklinik, welche zudem wahrscheinlich völlig überlastet ist.

Der SWR hat es am 19.5.23 in seiner Sendung SWR aktuell gut auf den Punkt gebracht: „Das Problem ist groß und es wird noch größer“. Die Ursachen, Herr Minister Hoch, sind evaluiert, das Problem ist offensichtlich, Ihnen bekannt und nimmt weiter zu. Und was tun Sie liebe Landesregierung? Sie reisen durch unser Land, halten Sonntagsreden über Kindeswohl, Kinderrechte, Kinderschutz, Chancengleichheit und die Würde unserer Kinder. Währenddessen verzweifelte Eltern Petitionen unterschreiben, in der Warteschleife hängen und demonstrieren. 

Währenddessen über 70-jährige Kinderärzte hoffnungslos einen Nachfolger suchen, jeder fünfte Kinderarzt bald in den Ruhestand geht und Eltern sorgenvoll einen Kinderarzt für ihr Kind suchen. Machen Sie endlich Schluss mit dem Schönreden, erkennen Sie die Dringlichkeit und folgen Sie der Aufforderung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte und handeln Sie! 

Bevor ich es vergesse:

Wenn durch die dilettantische Gesundheitspolitik der Berliner Ampel in Rheinland-Pfalz und im Saarland 25% der Krankenhäuser laut dem Krankenhausreport kurz vor der Insolvenz stehen und diese in der flächendeckend heute schon suboptimalen Versorgung auch noch wegfallen, dann haben wir den medizinischen SuperGAU!

Da Sie meine 250 Lösungsvorschläge sowieso nicht wirklich interessieren, habe ich mich heute nur auf die Problembeschreibung beschränkt. Ich bin gespannt, wie Sie dem drohenden Kollaps der medizinischen Versorgung unserer Kinder wirkungsvoll entgegentreten.

Es gilt das gesprochene Wort.

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