40. Plenarsitzung – Lisa-Marie Jeckel zu “Mädchen und Frauen stärken – Chancengleichheit im Erwerbsleben erreichen” – mit Video

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Video: Landtag RLP

Wir sind uns einig; niemand hier hat etwas gegen erfolgreiche Mädchen oder Frauen. Niemand kann es sich leisten und unsere Gesellschaft schon mal gar nicht, dass ein großer Teil der Bevölkerung ausgegrenzt oder benachteiligt wird.  Übrigens, Frau Bätzing-Lichtenthäler, Bürgermeisterinnen werden zumindest nach unserem Demokratieverständnis gewählt und nicht nach dem Geschlecht ausgesucht. Wir haben das in der Verbandsgemeinde Rhein-Mosel ja vorgemacht.

Chancengleichheit, Mitbestimmung und Karrierechancen allen Bürgern gleichermaßen zu ermöglichen ist ein Auftrag für uns als Politiker. Wir haben hier schon oft über Chancengleichheit gesprochen und wir hören viel von der Ampel darüber. So heißt es im Koalitionsvertrag, dass Frauen in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens in gleicher Weise teilhaben und mitbestimmen können müssen wie Männer“. 

Richtig, Frauen und Männer, Mädchen und Jungen sollten sich frei entscheiden können wofür und wie sie leben wollen. Im Koalitionsvertrag findet man viel von Familie, Kindern und der Vereinbarkeit von beidem mit Karriere für die Frau. Und genau da sollte man auch ansetzen. Um diese Vereinbarkeit zu bekommen, müssen dringend die Voraussetzungen verbessert werden. Gewährleistete Kinderbetreuung, die Möglichkeit von Homeoffice, Fortbildungen und dynamischen Regelungen im Arbeitsverhältnis sind nur wenige Beispiele wo man ansetzen kann. 

Generell muss bei der Digitalisierung in unserem Land dringend nachgebessert werden.  Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian, sieht ein großes ungenutztes Potential, welches gerade durch eine gewährleistete Kinderbetreuung für den Arbeitsmarkt die Lösung der Fachkräftefrage bereitstellt.  Bis heute sind Frauen in der Arbeitswelt unterrepräsentiert. Einen Grund sieht auch Herr Adrian darin, dass es keine verlässliche Kinderbetreuung gibt. Aber bei der Debatte gibt es auch noch eine andere Seite der Medaille.

Die damalige Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler sprach 2019 davon, alles daran setzen zu wollen, „den Frauen einen schnellen und langfristigen Wiedereinstieg ins Erwerbsleben zu ermöglichen beziehungsweise einen Ausstieg gar nicht erst nötig zu machen…“ Das klingt fast, als sollten Frauen ohne viel Aufhebens quasi im Vorübergehen Kinder zur Welt bringen, sich einmal frischmachen und dann wieder an die „richtige Arbeit“ gehen. Kommen da nicht diejenigen Frauen zu kurz, die sich lieber dafür entscheiden wollen, eben nicht wieder direkt arbeiten zu gehen, sondern sich für die Familie, zuhause entschieden haben? Im Themenkomplex Gleichbehandlung und “Frauen müssen Karriere machen können” fehlt mir oft die Wertschätzung für die Frauen, die sich eben bewusst dagegen entscheiden. Die Wertschätzung – und auch die finanzielle Möglichkeit. Hier entsteht Druck, auch nach dem Kinderbekommen noch sämtliche weitere Teilbereiche des Lebens schultern zu müssen.

Solange es aber mit enormen finanziellen Vorteilen oder gar Notwendigkeit im Hinblick auf das zur Verfügung stehende Familieneinkommen und auf die späteren Rentenaussichten verbunden ist, Kinder so früh wie möglich und so lange wie möglich fremdbetreuen zu lassen, solange existiert keine echte freie Entscheidungsmöglichkeit über die persönliche Lebensform für Familien. Für viele Bürger besteht immer noch das Ideal, seine Kinder selbst liebevoll und eben nicht staatlich erziehen zu wollen. Und hier wiederhole ich es nochmal: der verfügbare Kitaplatz, die wohnortnahe Schule und die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie allgemein, schnelles und belastbares Internet für das Homeoffice, dynamische und individuelle Lösungen mit dem Arbeitgeber und auch die Frage nach der generellen Anerkennung der Familienarbeit – das sind die Themen mit denen sich junge Frauen und Frauen im Allgemeinen konkret auseinandersetzen müssen. 

Lösungen haben sie bisher auch keine gefunden auf diese Fragen, aber die gut klingenden Phrasen wiederholen sie jedes mal. Programme und Anreize für Arbeitgeber, welche Frauen einen Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Geburt ermöglichen oder zumindest erleichtern könnten, sollten aufgestockt oder aufgelegt werden. Es ist absolut notwendig, dass für genug hoch qualifizierte Kinderbetreuungsmöglichkeiten gesorgt wird, damit Frauen überhaupt die Möglichkeit haben, sich für einen schnellen Wiedereinstieg ins Berufsleben zu entscheiden. Druck – gesellschaftlicher oder existenzieller – sollte bei dieser Entscheidung aber keine Rolle spielen dürfen! Wir haben doch ein natürliches Interesse daran, dass sich Frauen auch für ein Familienleben und für das Kinderkriegen entscheiden. So oder so, Frauen wieder den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern und zu ermöglichen unterstützen wir FREIEN WÄHLER ausdrücklich. 

Aber auch alle, welche innerhalb ihrer Familie arbeiten, indem sie die Kinderbetreuung und Kindererziehung gewährleisten, Familienmitglieder pflegen oder sich generell sich im Familienumfeld „kümmern“, sollten auch genügend gesellschaftliche Wertschätzung erfahren. Das Wort „Arbeit“ wird aber im Koalitionsvertrag beim Thema „Gleichstellung“ ausschließlich in Bezug auf Erwerbsarbeit verwendet. Unter dem Punkt „Gleichstellung in der Arbeitswelt“ geht der Blick wieder ausschließlich in eine Richtung: nämlich die Gleichstellung in Bezug auf die Berufstätigkeit. Gleichstellung in Bezug auf unbezahlte Familien- und Hausarbeit wird hier nicht in den Blick genommen. Ich wiederhole es gerne nochmal: Wenn wir die Voraussetzungen schaffen, dass Mädchen und Frauen sich frei entscheiden können ohne Druck für eine selbstgewählte Lebensform, erst dann kommen wir der wahren Chancengleichheit ein Stück näher. Und hier arbeiten wir gerne mit Ihnen werte Landesregierung zusammen und freuen uns darauf auf ihre Vorschläge und Anregungen, die wir gewohnt kritisch begleiten werden.

Es gilt das gesprochene Wort.

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