35. Plenarsitzung – Joachim Streit zu den Einzelplänen 04, 12 und 20 (Ministerium der Finanzen, Hochbaumaßnahmen und Wohnungsbauförderung sowie Allgemeine Finanzen) – mit Video

Video: Landtag RLP

Es ist nun ziemlich genau ein Jahr her, da sprach Frau Ahnen in diesem Haus von einer Zeitenwende für die kommunalen Finanzen. Die Altschuldenlösung und die Neuregelung des Kommunalen Finanzausgleichs sollten sich perfekt ergänzen und die rheinland-pfälzischen Gemeinden von der roten Laterne in so vielen Statistiken befreien. Die Finanzministerin versprach, die Hälfte der Liquiditätskredite der Kommunen in Rheinland-Pfalz zu übernehmen und mit dieser historischen Schuldenübernahme den Bund unter Druck zu setzen, die andere Hälfte der Kassenkredite zu tilgen, denn dies steht im Koalitionsvertrag der Bundesampel. Denn auch der Bund ist mit seinen Gesetzen für die Altschulden der kommunalen Familie mitverantwortlich.

Gut ein Jahr später sind wir deutlich schlauer. Wenn mancher Ortsbürgermeister ein besonders seliges Weihnachtsfest 2021 ob der zukünftige Zinszahlungsentlastungen feiern konnte, so trat bei ihnen spätestens mit der Veröffentlichung des Landesgesetzes über die Partnerschaft zur Entschuldung der Kommunen in Rheinland-Pfalz Ernüchterung ein. Und viele fühlen sich wie der Gast, dem der Wirt ein X für ein U vormacht. In der Tat wird die Hälfte der Liquiditätskredite der Kommunen in Rheinland-Pfalz übernommen. Aber leider nur von der Gesamtsumme und genau nicht bei den Kassenkrediten jeder einzelnen Kommune.

Das, meine Damen und Herren, das ist ein doppelter Fehler:

Aus Sicht der Ortsgemeinden ist dies ein Wortbruch. Sie verlassen sich auf die 50% vom Land und vom Bund.

Der Sockelbetrag ist eine unnötige Entlastung des Bundes von seiner Zusage. Denn jeder Sockelbetrag, den man in Rheinland-Pfalz nicht tilgt, wird auch vom Bund nicht getilgt. Und jeder Betrag, der bei Städten über 50% getilgt wird, muss vom Bund nicht getilgt werden.
Und ich frage, warum entlasten wir den Bund hier zweimal: beim Sockelbetrag und bei der überschießenden Tilgung? Bei kleinen Ortsgemeinden ist diese Hürde vollkommen sinnlos. Ortsgemeinden verfügen oftmals über keine oder nur geringe Gewerbesteuereinnahmen und kommen von ihrem Schuldenberg ohne Hilfe nicht weg. Schlimmer noch, durch die Zinsänderung wird es ihnen zukünftig bei den nicht getilgten Sockelbeträgen noch schwerer fallen, ausgeglichene Haushalte zu erreichen.

Bei den vielen hochverschuldeten großen Städten ist es bei der vorgelegten Altschuldenlösung so, dass nicht nur 50% der Schulden übernommen werden, sondern teilweise 80%. Das liegt wiederum an der Regelung des sogenannten Spitzenbetrags, ab dem jeder weitere Euro nicht hälftig, sondern vollständig durch das Land übernommen wird. Und ich wiederhole hier nochmal, vollkommen sinnlose Entlastung des Bundes aus seiner Pflicht!

Welche Hintergründe hat die Wahl dieser Regelung?
In deutschlandweiten Rankings bezüglich der Kommunalverschuldung, insbesondere der bemühten Bertelsmann-Liste aus dem Jahr 2021 – tauchen immer wieder die gleichen Namen öffentlichkeitswirksam auf. Pirmasens, Kaiserslautern, Zweibrücken, Ludwigshafen, Trier. Ich gönne diesen Städten jede Unterstützung, die sie durch das Land erfahren, aber die Intention hinter der Wirkung des Spitzenbetrags ist eindeutig: Die Regelung hat den Zweck, aus der Schamliste der meistverschuldeten Städte rauszukommen, bei der von den 20 am höchsten verschuldeten Kommunen elft aus Rheinland-Pfalz sind.

Meine Damen und Herren, unser Entschließungsantrag zur Altschuldenlösung spricht genau diese Ungerechtigkeit an. Es muss ein Weg gefunden werden, um deutlich mehr Kommunen an der Altschuldenlösung beteiligen zu können. Der Verteilmechanismus der 3 Milliarden Euro an Gesamtentschuldungsvolumen muss so gewählt werden, dass alle Ortsgemeinden mit Liquiditätskrediten teilnehmen können. Der Kreis der Begünstigten muss dringend erweitert werden. Als logische Konsequenz muss der Sockelbetrag bei Ortsgemeinden entfallen.

Wir können es uns nicht erlauben, den Bund aus seiner Pflicht zu entlassen, nur weil die großen Städte sich in den Medien von Spiegel, Welt oder in der Bild-Zeitung wiederfinden und kleine Ortsgemeinden nicht. In dieser Form ist das Gesetz für uns als FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion ebenso inakzeptabel wie die Neuregelung des Landesfinanzausgleichsgesetzes. Die vorgeschlagene Berechnungsmethodik begünstigt die kreisfreien Städte mit einem plus von 154 Millionen Euro und benachteiligt die Landkreisbereiche um ein Minus von 155 Millionen Euro gegenüber einem Verfahren mit gleichmäßiger Entschuldung. Auch 121 Verbandsgemeinden schneiden mit rund 80 Millionen schlechter ab.

Abschließend möchte ich noch zu den Änderungsanträgen kommen, die wir zum Einzelplan 20 gestellt haben. Zunächst wären da die Verlängerung des § 13 b Baugesetzbuch und die Förderung von Siedlungsgesellschaften. Nach Schätzungen entsteht durch den Krieg in der Ukraine bundesweit ein Bedarf an 500.000 Wohnungen. Bei einer Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel entfallen dabei 25.000 auf Rheinland-Pfalz.

Dieser Wohnraum ist schnell und unbürokratisch zu schaffen. § 13 b Baugesetzbuch ermöglicht es Kommunen in einem beschleunigten Verfahren, Bebauungspläne zur Siedlungsabrundung im Außenbereich für Wohnnutzungen mit einer Grundfläche von bis zu 10.000 Quadratmetern aufstellen zu können.

Bislang ist dieses Instrument bis zum 31.12.2022 befristet. Gerade vor dem Hintergrund der schrecklichen Lage Geflüchteter aus der Ukraine gilt es, diese Regelung zu verlängern. Außerdem ist die Förderung kommunaler Siedlungsgesellschaften von besonderer Bedeutung für Rheinland-Pfalz. Das Wirken von Wohnungsbaugesellschaften in kommunaler Trägerschaft hat einen positiven Einfluss auf die Stadtentwicklung vieler Kommunen. Sie sind außerdem in der Lage, schnell und effektiv bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das Land muss somit zwingend die Gründung kommunaler Siedlungsgesellschaft fördern, um die Immobiliensituation in Rheinland-Pfalz langfristig zu entspannen. Dazu passt auch unser Vorschlag, beim Erwerb einer Erstimmobilie bis 500.000 Euro auf die Erhebung der Grunderwerbssteuer zu verzichten. Für viele junge Familien stellt das Eigenheim immer noch einen Meilenstein in ihrer Lebensplanung dar. Dabei ist dieser Wunsch in den vergangenen Jahren aufgrund massiver Preissteigerungen in weite Ferne gerückt. Auch in den ländlichen Gebieten ziehen die Grundstückskosten immer weiter an. Erschwingliche Immobilien, die ohnehin über zwei Gehälter finanziert werden müssen, sind immer seltener zu finden. Die Hebel des Landes, in dieser Marktsituation Abhilfe zu schaffen, sind begrenzt. Ein Hebel ist die Grunderwerbssteuer. Um nun für junge Familien einen Anreiz zum Immobilienkauf zu schaffen, ist es dem Land möglich, auf die Erhebung der Grunderwerbssteuer beim Kauf einer Erstimmobilie bis zur Höhe von 500.000 Euro zu verzichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landeshaushalt 2023/2024 neigt sich seiner Verabschiedung zu. Über die Altschuldenlösung wird allerdings auch im neuen Jahr noch zu reden sein – hier lassen wir als FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion nicht locker. So bleibt mir, mich noch einmal bei allen Beteiligten für die konstruktiven Beratungen zu bedanken und Ihnen an dieser Stelle ein besinnliches Weihnachtsfest zu wünschen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Related Images:

Nach oben scrollen