31. Plenarsitzung – Joachim Streit in der Aussprache zum Landeshaushaltsgesetz 2023/2024 – mit Video

Video: Landtag RLP

Nach mehr als einem Jahr FREIE WÄHLER im Landtag Rheinland-Pfalz kann ich sagen: FREIE WÄHLER WIRKEN!

Sie wirken bei der Altschuldenlösung, sie wirken beim Kommunalen Finanzausgleich, sie wirken bei den Kerosinmessstellen und sie wirken bei den wat- und geländegängigen Fahrzeugen des Brand- und Katastrophenschutzes.

Auch, wenn unsere Anträge auf mehr Messstellen und auf 300 Millionen Euro mehr im Kommunalen Finanzausgleich bei den letztjährigen Haushaltsberatungen abgelehnt wurden, so kam uns die Regierung doch dieses Jahr mit 275 Millionen Euro mehr im KFA und der Messeinrichtung in der Eifel entgegen – so auch der damalige Innenminister bei den wat- und geländegängigen Fahrzeugen, nachdem er mit der Mehrheit der Ampelkoalition den Antrag der FREIEN WÄHLER noch im Juli-Plenum abgelehnt hatte.

Bevor ich nun auf den Doppelhaushalt 23/24 eingehe, möchte ich kurz auf Ministerin Ahnens Einbringungsrede zu sprechen kommen. Sie haben uns gestern den Vorschlag unterbreitet, weitere 200 Millionen aus der Haushaltssicherungsrücklage zu entnehmen und diese dann global zu veranschlagen. Wir können grundsätzlich nachvollziehen, dass die politische Gemengelage in diesen Tagen ein besonderes Maß an fiskalischer Flexibilität erfordert. Einen Blankoscheck zur Verfügung über diese Summe wird es mit der FREIEN WÄHLER-Landtagsfraktion jedoch nicht geben. Ihrem Vorschlag stimmen wir also lediglich dann zu, insofern wir nicht nur an der Bereitstellung der 200 Millionen, sondern auch an deren Verausgabung beteiligt werden. Und dann kann ich zusichern, dass wir für ein eigenes Paket zur Sicherung der klein- und mittelständischen Unternehmer sowie der Rettung des energieintensiven Lebensmittelhandwerks, insbesondere der Metzger und Bäcker sind.

Hier steht nämlich auch die Versorgungssicherheit des ländlichen Raumes auf dem Spiel. Die Länder Brandenburg, Bayern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben solche Pakete auf den Weg gebracht. Und diese Pakete sind wichtig, damit die Menschen nicht an den rechten Rand abtriften.

 Der vorliegende Landeshaushalt hat einen Aufwuchs erfahren: Mit jeweils über 30 Mrd. Euro in den Jahren 2023 und 2024 ist er Einnahmen- und Ausgabenseitig um satte 5 Mrd. Euro gestiegen. Warum allerdings die Investitionsquote nicht in vergleichbarem Maß zunimmt, erschließt sich mir angesichts des rheinland-pfälzischen Investitionsstaus nicht. Wir fallen in RLP im kommenden Jahr von 7,3% auf 6,4% im Jahre 2024. Die Investitionsquote liegt in den anderen Flächenländern bei 10%, in Ostdeutschland sogar bei bis über 14% in Sachsen.

Damit hat Rheinland-Pfalz die Rote Laterne!

Wir alle wollen diesen fragwürdigen Nimbus loswerden und so wird sich die FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion auch diesmal konstruktiv an den kommenden Haushaltsberatungen beteiligen. Ein Staat muss in erster Linie den Menschen Sicherheit geben. Diese Sicherheit sehe ich insofern in Rheinland-Pfalz nicht, als es keine langfrstigen Pläne zur Sicherung der ärztlichen Versorgung, der Wirtschaft und Landwirtschaft, des Klimaschutzes und der Mobilität, noch der Digitalisierung gibt.

  • Masterplan Ärztliche Versorgung

Ein Staat, meine Damen und Herren, in dem sich die Bürger sicher und versorgt fühlen, definiert sich nicht zuletzt über sein Gesundheitssystem. Dabei hat die Coronakrise vor Augen geführt, dass unser Gesundheitssystem nicht unbegrenzt belastbar ist und die Einsparungen und Privatisierungen der letzten Jahre an der Substanz, insbesondere aber am Personal, gezehrt haben. Durch die Überlastung der vergangenen zwei Jahre hat sich die Personalsituation noch erheblich verschlimmert, viele erfahrene Kräfte haben ihre Arbeitszeit reduziert oder haben sich gänzlich umorientiert. Eine weitere Privatisierung der Krankenhäuser muss verhindert werden, um unser Gesundheitssystem nicht noch weiter den Spar- und Profitzwängen des Marktes zu unterwerfen. Um in Schieflage geratene kommunale Krankenhäuser zu stützen und ggfls. sogar aufzufangen, bedarf es einer Landeskrankenhausgesellschaft, die dem landeseigenen Auftrag der flächendeckenden und guten Gesundheitsversorgung wirkungsvoll nachkommt und ins Eigentum einsteigt. Für ein Rheinland-Pfalz, das auch zukünftig genau diese flächendeckende ärztliche Versorgung anbieten kann, müssen überdies dringend die Studienplätze in der Universitätsmedizin ausgebaut werden.

Angesichts unserer alternden Gesellschaft, mit zunehmenden komplexen Vielfacherkrankungen, der wichtigen Gesundheitsvorsorge und dem verständlichen Wunsch unserer Mediziner nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf, war die Erhöhung auf rund 450 Studienplätze pro Jahr völlig unzureichend. Durch Digitalisierung und Telemedizin können Entlastung geschaffen werden. Sie können jedoch nicht das personelle Defizit ausgleichen! Mit der unzureichenden Anhebung der Studienplätze für die nächsten 15 Jahre wurde von unserer Landesregierung das Defizit von rund 380 Medizinern geplant. Bei der aktuellen Altersstruktur unserer niedergelassenen Mediziner hat dies fatale Folgen für die Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung unserer Bevölkerung, gerade in unseren ländlichen Regionen. Die Notwendigkeit einer weiteren Medizinischen Fakultät plus Plätzen in Krankenhäusern steht für die FREIEN WÄHLER außer Frage. Es bleibt nur die Frage nach dem Wo: Im Westen in Kaiserslautern oder Trier oder am Rhein in Ludwigshafen oder in Koblenz. Als früherer Behördenleiter plädiere ich darüber hinaus dafür, die Ausstattung der Gesundheitsämter zu synchronisieren und den Öffentlichen Gesundheitsdienst personell sowie technisch aufzuwerten. Denn deren Aufgabenbereiche sind vielfältig. Neben der Überwachung der Hygiene nehmen Prävention, Schulung, Beratung und Aufklärung einen hohen Stellenwert ein.

Gerade der Infektionsschutz hat uns in den Corona-Pandemien gezeigt, wo die Problemfelder unserer Gesundheitsämter liegen. Um einen koordinierten übergeordneten Infektionsschutz zu gewährleisten, müssen unsere Gesundheitsämter einheitlich vernetzt und besser ausgestattet werden. Dies geschieht aktuell im Eifelkreis mit der Implementierung eines ständigen Einsatzstabes Gesundheit unter der Leitung des Gesundheitsamtes. Und letztlich ist es für unsere Bürger von zentraler Bedeutung, dass die medizinische Versorgung auch im ländlichen Raum sichergestellt wird.So ist die Gesundheitsversorgung zunehmend ein elementarer Teil bei der Bewertung gleichwertiger Lebensverhältnisse und ein Indikator für unsere Lebensqualität. 

Neben den großen Versorgungsunterschieden bei der Digitalisierung, hat sich insbesondere die Qualität der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum im „Stadt – Land Gefälle“ weiter verschärft. Immer mehr Menschen haben keinen Hausarzt, keine sichere und gute medizinische Grundversorgung, warten vergebens auf ihren Lotsen im Gesundheitswesen, auf notwendige Untersuchungen oder medizinische Eingriffe. In den letzten Jahren haben sich die Herausforderungen der ärztlichen Versorgung auch aufgrund vieler gesellschaftlicher Veränderungen weiter zugespitzt und bedürfen dringender Maßnahmen zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger, ambulant und stationär. Dazu gehört auch die Stärkung der Palliativ- und Hospizarbeit. Die Hospiz- und Palliativversorgung muss weiterentwickelt werden. Nicht jeder kann die letzte Lebensphase in vertrauter häuslicher Umgebung und im Kreis der Angehörigen verbringen. Die Mehrheit der Menschen verbringt die letzte Lebensphase in stationären Versorgungseinrichtungen (insbesondere in Pflegeheimen und Krankenhäusern). Wichtig ist deshalb, dass die letzte Phase des Lebens auch dort selbstbestimmt und nach den persönlichen Wünschen gestaltet werden kann.

Dies setzt voraus, dass überall ausreichende und wohnortnahe Angebote der Palliativmedizin, der Palliativpflege und der hospizlichen Sterbebegleitung existieren und die Menschen über die vielfältigen Möglichkeiten der Versorgung und Begleitung umfänglich informiert werden. Ich glaube, beim letzten Punkt zum Thema Gesundheitspolitik sind wir in diesem Haus grundsätzlich einer Meinung.

Nach den pandemiebedingten Einnahmeausfällen, bei gleichzeitigem Ausgabenanstieg und den Versorgungsengpässen mit unzureichenden Corona-Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser, folgt nun wirtschaftlich für unsere Einrichtungen die immense Kostensteigerung durch die exorbitant gestiegenen Preise für Energie und Sachkosten.  Auch die Möglichkeit abreißender Lieferketten im Medizinsektor, verschärft zusätzlich die fehlende Planungssicherheit. Eine qualitativ gute medizinische Versorgung benötigt, gerade vor dem Hintergrund der besonderen, aktuellen Problemlage, eine finanzielle Unterstützung und ein gesetzliches Sofortmaßnahmenpaket für unsere Krankenhäuser.

Hier muss gehandelt werden.

  • Konzept zur Unterstützung der Wirtschaft, Handwerk und Industrie, Handel und Tourismus

Nach zwei harten Coronajahren kommen nun die explodierenden Energiepreise – Deckel und Doppelwumms hin oder her – bei allseits spürbarem Fachkräftemangel. Diese Entwicklungen samt steigender Warenpreise machen unserer heimischen Wirtschaft wirklich zu schaffen. Branchen wie die der Bäcker oder Metzger stehen vor dem betriebswirtschaftlichen Aus. Gerade im Lebensmittelsektor würde diese Entwicklung je nach örtlicher Lage aber zu einer nicht zu vertretenden Versorgungslücke führen. Dem muss unbedingt durch eigene Landesprogramme entgegengewirkt werden. Die Versorgungssicherheit muss unter allen Umständen gewährleistet bleiben. Das Land ist da in der Pflicht und kann nicht einfach mit dem Finger nach Berlin zeigen. Gleichzeitig muss Rheinland-Pfalz ein starker Innovations- und Technologiestandort werden.

Insbesondere der Erfolg von Biontech, aber auch die Präsenz von Konzernen wie BASF, Boehringer Ingelheim (die scharf Kritik an Herr Lauterbach äußern und über Abwanderung nachdenken) sowie die vorhandenen Hochschul- und Universitätsstandorte bieten dafür den geeigneten Nährboden.

Doch hinzukommen müssen passende Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten für StartUps sowie die Verfügbarkeit entsprechender Räumlichkeiten, Gelände für Produktionsstätten und Laboratorien. Ziel muss sein, das Land attraktiv und interessant für junge, engagierte Ingenieure, Entwickler und Unternehmer zu machen und somit ein langfristiges, nachhaltiges Wohlstandswachstum zu sichern. Vorhandene Potenziale müssen endlich aufgedeckt, erschlossen und unterstützt werden.

Die Tourismusförderung in Rheinland-Pfalz bleibt derzeit hinter ihren Möglichkeiten zurück, als Resultat stagniert der Tourismus im Land und es gibt nur wenige überregional bekannte und bedeutende Tourismusmagneten.

Tourismus muss eine Leitökonomie für RLP im 21. Jahrhundert werden!

Ein neuer Ansatz wäre, die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH als zentral koordinierende Stelle finanziell und personell umfassend aufzurüsten und dabei die bürokratischen Hürden abzubauen. Hier plädieren wir den Bereich Tourismus mit einem Euro pro Übernachtung für das Marketing auszustatten. Was aktuell rd. 14 Millionen Euro ergäbe. Mit diesen Mitteln ergeben sich neue Möglichkeiten und neue Tourismus-Hotspots können identifiziert, erschlossen und in ein umfassendes touristisches Konzept eingebunden werden. 

  • Landwirtschaftsstrategie

Zu den Dingen, die Rheinland-Pfalz auszeichnen, gehören auch unsere Landwirtschaft und natürlich der Weinbau. Landwirte müssen endlich als das wahrgenommen werden, was sie sind: systemrelevant. Mit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine ist uns wieder bewusst geworden, welche Bedeutung unsere heimische Landwirtschaft hat. Die sichere Versorgung unserer Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln muss wieder einen hohen Stellenwert erhalten. Die Lebensmittelproduktion ist nicht nur eine bäuerliche Nische, sondern eine zentrale Aufgabe. Wir benötigen zukünftig zur sicheren Lebensmittelversorgung Unabhängigkeit von den globalen Märkten und müssen die Kontrolle über das, was auf unseren Tisch kommt, zurückerlangen. Unser Essen muss traditionell vom heimischen Acker stammen und nicht aus einem Überseehafen. In diesem Zusammenhang spielt der Umgang mit Blüh-, Brach- und Stilllegungsflächen eine entscheidende Rolle. Die Öffnung und Anpassung der Stilllegungsregeln angesichts des Ukrainekrieges ist sinnvoll und richtig. Landwirte brauchen für eine wirtschaftliche Produktion und Planungssicherheit zeitlich zuverlässige Rahmenbedingungen. Nur so können längerfristige Erfolge für die Herstellung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen sichergestellt werden. Die Prozentuale Ackerlandstilllegung ist über den Ukrainekrieg hinaus eine Verschwendung von wichtigen Ressourcen. Eine intelligente Flächennutzung geht einher mit dem sinnvollen und innovativen Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Die Düngemittelverfügbarkeit und die Düngemittelpreisentwick-lung sind entscheidende Faktoren bei der Produktivität unserer Lebensmittelherstellung.

Innovative Verfahren zur Herstellung und Ausbringung müssen geprüft und gefördert werden. Unsere Landwirte und Winzer benötigen hier Unterstützung. Sie gehen transparent und verantwortlich mit Düngung und Pflanzenschutz um. Ein Generalverdacht der Politik wäre unsachlich und schadet dem Ansehen der Landwirte und Winzer. Unterschiede bei der Binnendifferenzierung und den länderspezifischen Zusatzauflagen dürfen nicht zu einem Wettbewerbsnachteil unserer rheinland-pfälzischen Landwirte führen. All das muss einhergehen mit der Stärkung unserer Familienbetriebe in Landwirtschaft und Weinbau bei der regionalen Wertschöpfung und Direktvermarktung. Winzer und Landwirte sind bei der Vermarktung ihrer Produkte nachhaltig zu unterstützen. Die eigene Vermarktung schafft in ihrer Qualität und Vielfalt allzu oft auch ein dringend notwendiges und weiteres wirtschaftliches Standbein.

Durch die Selbstvermarktung entfallen lange Transport- und Lieferketten. Die Wertschöpfung verbleibt in der Region.

Nach der bereits wirtschaftlich schwierigen Zeit in der Corona-Krise, stehen viele Hofläden heute wegen der steigenden Energiepreise und der hohen Inflationsrate unter immensem wirtschaftlichem Druck. Auch die unsinnige Bon- und Eichpflicht – für Milchtankstellen gilt es auf den Prüfstand zu stellen. Abschließend ist es wichtig, dass unsere Landwirte und vor allem die Weidetierhalter weitestgehend uneingeschränkt ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen können.

Und deswegen müssen wir ein neues Wolfsmanagement implementieren. Der Wolf ist wieder in Rheinland-Pfalz heimisch, mittlerweile wohl nicht nur im Norden, sondern auch in der Pfalz, und sorgt zunehmend für Schäden und Sorgen insbesondere bei der betroffenen Landbevölkerung.

Einerseits braucht es daher eine zusätzliche Unterstützung der Weidetierhalter und Landwirte, um Prävention zu betreiben und Schäden zu verhindern oder zumindest unkompliziert zu ersetzen. Andererseits muss der „günstige Erhaltungszustand“ definiert und der Wolfsbestand durch ein geeignetes Wolfsmanagement auf einem entsprechenden, auch gesellschaftlich und ökonomisch vertretbarem Niveau gehalten werden.

  •  Bildung und Erziehung

Wenn wir über Perspektiven für Rheinland-Pfalz sprechen, nimmt die Bildungspolitik eine exponierte Rolle ein.

Dabei ist für uns FREIE WÄHLER eindeutig, dass Kitas und Schulen höchste Priorität genießen. In der Corona-Pandemie mussten unsere Kinder und Jugendlichen große Einschränkungen erleiden und auch die Energiekrise wird den Kita- und Schulalltag beeinflussen. Schon jetzt ist angekündigt, dass es in den Betreuungs- und Klassenräumen im Herbst und Winter kalt wird. Unsere Kinder und Jugendlichen dürfen nicht länger die Hauptleidtragenden in Krisenzeiten sein. Die Politik ist dabei in der Verantwortung, langfristig und vorausschauend zu planen, alle Maßnahmen zu ergreifen und Investitionen zu tätigen, die einen Präsenzbetrieb aufrechterhalten.

Unterrichtsausfall und Distanzunterricht müssen zwingend vermieden werden – sie wirken sich negativ auf die Entwicklung und das Lernen aus, Bildungsungleichheit wird verstärkt. Um diese Bildungsungleichheit zu vermeiden, muss die Unterrichtsversorgung an unseren Schulen dringend verbessert werden. Eine 100-prozentige Besetzung der Stellen reicht nicht aus, um 100 Prozent Unterricht zu gewährleisten. Denn Krankheitsausfälle, Weiterbildungen und Schwangerschaften sind darin nicht berücksichtigt. Erst ab rund 105 Prozent Unterrichtsversorgung kann die Stundentafel theoretisch abgedeckt werden. Um Perspektiven zu eröffnen, wird Unterstützung bei der beruflichen Orientierung benötigt.

Geeignete Fachkräfte zu finden, ist für viele Unternehmen eine große Herausforderung – besonders im Handwerk. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist die berufliche Orientierung in Schulen ein zentrales Instrument. Es ist notwendig, die volle Bandbreite der Berufs- und Studienmöglichkeiten aufzuzeigen und auch ein besonderes Augenmerk auf die Berufsfelder des modernen Handwerks zu richten. Nur praxisnah kann das Potenzial und die Vielfalt vermittelt werden, etwa durch Vor-Ort-Besichtigungen, Projektarbeiten in den Betrieben oder Ausbildungsbotschafter.

Eine berufliche Orientierung muss sich zwingend und verlässlich durch alle Schulformen und Klassenstufen ziehen.

Es wäre falsch anzunehmen, dass Berufsorientierung erst in höheren Jahrgangsstufen relevant wird. Prägung, Akzeptanz und Neugier für verschiedene Berufsfelder beginnen bereits viel früher und wir benötigen die Zeit, um berufliche Vielfalt aufzuzeigen – es gibt allein 130 Handwerksberufe, die erlernt werden können.

Es braucht daher weitreichende Förderungen für die berufliche Orientierung.

Stellenweise muss beim Kita-Zukunftsgesetz noch nachgebessert werden – das zeigen die Debatten der vergangenen Monate. Besonders in den Bereichen Fachkraft-Kind-Schlüssel und notwendige Aus- bzw. Umbaumaßnahmen. Die Landesregierung trägt dabei Verantwortung für ein starkes Maßnahmenpaket, bei dem gilt: Wer bestellt, bezahlt. Konnexitätsprinzip.

So braucht es beispielsweise analog zum Schulbauprogramm ein Kitabauprogramm, um eine gute, bedarfsgerechte Unterbringungsqualität sicherzustellen – das muss gleichermaßen für die Schaffung neuer Kita-Plätze wie auch für die Sanierung und die Erweiterung der bestehenden Kita-Plätze gelten. Außerdem ist festzuhalten, dass regelmäßige Lernstandserhebungen und Förderangebote unerlässlich sind, um Bildungsgerechtigkeit herzustellen.

Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie tiefe Spuren in verschiedenen Entwicklungs- und Lernbereichen unserer Kinder und Jugendlichen hinterlassen. Insbesondere die körperliche, soziale und sprachliche Entwicklung sind davon betroffen.

Aus diesem Grund müssen wir weiterhin Fördermaßnahmen ausbauen, die Kinder und Jugendliche ganzheitlich in den Blick nehmen und dazu beitragen, die Lernrückstände abzubauen – sowohl im schulischen Bereich als auch in der frühkindlichen Bildung.

Bei frühkindlichen Förderangebote sehen wir jedoch noch große Potentiale. Während es im Rahmen des Landeskonzeptes CHANCEN@lernen.rlp umfassende Unterstützungsangebote für Schüler gibt, fehlt es an einem Aufholprogramm für unsere Jüngsten. Hier braucht es umfassende landeseigene Bemühungen, um ein Kita-Förderprogramm aufzulegen.

Mit Lern- und Sprachförderung kann Chancengleichheit geschaffen und ein erfolgreicher Übergang in die Grundschule gestaltet werden. Wir müssen alles daransetzen, dass unsere Kinder und Jugendlichen den Anschluss halten.

Noch einige Anmerkungen zu unseren Hochschulen und Universitäten: Mein Kollege Dr. Drumm und ich haben die Sommerpause genutzt, diese zu besuchen. In Gesprächen mit den Rektoren und Präsidenten wurden uns dabei ähnliche Probleme geschildert:

Die Personalsituation im Mittelbau bei Verwaltung und Lehre muss deutlich verbessert werden. Unis und Hochschulen dürfen im Wintersemester nicht schließen und können die Last der steigenden Energiekosten nicht ohne Unterstützung des Landes stemmen. Und es wird anerkannt, dass der LBB zwar sein Möglichstes unternimmt, aber viele Bauvorhaben schneller zu Ende gebracht werden könnten, wenn sie in der eigenen Hand verblieben. All diese Forderungen erfahren die Unterstützung der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion.

Zudem noch ein Satz zum Neubau der Unimedizin in Mainz: Eingedenk der Tatsache, dass in den kommenden beiden Jahren lediglich 288 Mio. Euro veranschlagt sind, muss die langfristige Finanzierung der 2,2 Mrd. auch bei einem möglichen Regierungswechsel in 2026 sichergestellt werden.

  • Kommunen, Klimaschutz, Digitalisierung und Mobilität

Wie die gegenwärtige Energiekrise deutlich aufzeigt, ist eine sichere, unabhängige und günstige Energieversorgung essentiell für unsere Wirtschaft, aber auch für unsere Bevölkerung. Ich erinnere an den Antrag der FREIEN WÄHLER auf Förderung von Gebäudefotovoltaik mit Batteriespeicher, den die Ampel hier vor einem Jahr abgelehnt hat.  Erneuerbare Energieträger müssen weiterhin ausgebaut werden, jedoch muss zeitgleich auch die dahinterstehende Netzinfrastruktur ertüchtigt und modernisiert sowie durch hinreichende Energiespeicherkapazitäten unterstützt werden, die das Netz stabilisieren. Ebenfalls ist die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität auszubauen. Darüber hinaus ist es geboten, dass die Landesregierung endlich mit gutem Beispiel vorangeht und auf den landeseigenen Liegenschaften PV-Anlagen installiert.

Eine große Chance im Bereich der Batterieentwicklung und -produktion bietet zudem die Entdeckung der im Thermalwasser gelösten Lithiumvorkommen im Oberrheingraben, die dringend genutzt werden sollten. Mit anderen Worten: Es stehen große Aufgaben vor uns, gleichzeitig verfügen wir aber auch über unerschlossene Potenziale. Und diese Potenziale gilt es seitens des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität zu heben – wo wir beim Problem wären.

Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe muss als Gemeinschaftsaufgabe in den Art. 91a GG aufgenommen werden – so wie wir Freien Wähler es bereits im Plenum gefordert haben. Schon damals hatte man Mühe und Not diesen Antrag abzulehnen. Anlässlich der aktuellen globalen Klima- und Energieherausforderungen sind wir gezwungen, unsere Forderung mit Nachdruck zu wiederholen. Auf seiner Energiereise wurde meinem Kollegen Patrick Kunz erneut bestätigt, wie das Gebot der Stunde zu lauten hat: Erneuerbare Energien sind in erster Linie dezentral zu denken, wie dies auch beim Verbundnetz Westeifel geschieht. Schon allein die Verkürzung der Genehmigungsverfahren und eine kleine Angleichung der Vorschriften würden beispielsweise den Bau von Biogasanlagen beschleunigen. Die Freiflächensolaranlagen, die derzeit auf ein Zertifikat warten und nicht am Netz sind, müssen unbedingt angeschlossen werden.

Wie traurig ist es, wenn ausgerechnet dem Klimaministerium keine Zahlen, Daten und Fakten vorliegen, die darstellen, wieviel KW Sonnenstrom derzeit nicht genutzt werden können. Noch schlimmer ist, dass die Kommunen im Ganzen den möglichen Sonnenstrom derzeit in ihr Netz nicht aufnehmen können. Der Grund hierfür liegt in der Netzinfrastruktur. Diese Infrastruktur ist zu modernisieren, um den zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein. Gut gemachter ÖPNV ist guter Klimaschutz. Deshalb, meine Damen und Herren, wenn der ÖPNV in Rheinland-Pfalz etwas aber nicht gebrauchen kann, dann ist es Stillstand.

Schaue ich mir dann das Kapitel das Kapitel Mobilität an, fällt es mir allerdings schwer, selbst dieses Fazit aufrecht zu erhalten. Knapp 55 Millionen Euro waren es dieses Jahr, die als Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr an kommunale Verkehrsträger gingen, knapp 55 Millionen sollen es auch 2023 sein. 15,6 Millionen an Zuwendungen an kommunale Verkehrsträger für den Bau von Verkehrsanlagen sind es in diesem Jahr, 15,6 Millionen stehen auch im Jahr 2023 bereit. Ca. 404 Millionen Euro an Regionalisierungsmitteln – wohlgemerkt ohne Landeszuschuss – für Zuweisungen für die Bestellung von Verkehrsleistungen 2022, die gleiche Summe fließt im kommenden Jahr. Soll sich mit diesen Haushaltsansätzen, die im Jahr 2024 geringfügig steigen, die chronische Unterfinanzierung unseres ÖPNV beheben lassen?

Den Kommunen als Aufgabenträgern laufen die Kosten weg! Frau Eder, wir wollen nicht länger auf den überfälligen Nahverkehrsplan warten!

Mein Kollege Dr. Herbert Drumm hat es im Rahmen der letzten aktuellen Debatte eindringlich verdeutlicht:

Verkehrsbetriebe und Kommunen als Aufgabenträger ächzen unter den massiv steigenden Kosten. Wird hier landesseitig nicht zeitnah Abhilfe geschaffen, hilft auch kein Nahverkehrsplan mehr. Entscheidend ist, dass im neuen KFA die ÖPNV-Ansätze ebenfalls fortgeschrieben werden. Das ist im jetzigen Entwurf nicht der Fall. Auch das Kapitel „Kommunales Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation“ haben wir in gespannter Erwartung aufgeschlagen. Es erstreckt sich – sage und schreibe – inklusive Vorwort von Seite 305 bis 310. Selbst das voranstehende Kapitel zur Fischereiverwaltung bietet mehr Inhalt. Im Großen und Ganzen lässt sich im Einzelplan nicht mehr über das Kommunale Investitionsprogramm in Erfahrung bringen, als dass es 250 Millionen Euro umfasst und durch die Entnahme aus der Haushaltssicherungsrücklage finanziert werden soll.

Ich darf daran erinnern, dass wir noch vor einigen Monaten für den gleichen Kompensationsvorschlag hinsichtlich unserer Änderungsanträge belächelt wurden. Sei es drum. Dabei ist uns doch allen klar: mit den bereitgestellten Mitteln für Klimaschutzmaßnahmen – und mir ist bewusst, dass es in Summe mehr sind, als die 250 Millionen – lassen sich die Klimaziele der Landesregierung nicht erreichen.

Es mangelt dabei allerdings nicht nur am Mut zu Investitionen, sondern an der praktischen Umsetzung dessen, was eigentlich mit den bestehenden Mitteln machbar wäre. Und da richtet sich mein Blick auf die SGDn, von denen unlängst bekannt wurde, dass sie künftig zusätzlich mit der Genehmigung vom Bau von Windrädern betraut werden. Vergegenwärtigt man sich jedoch bereits das Scheitern oder Verzögern bei Genehmigungen von Biogasanlagen an der Personaldecke der SGD, ist fraglich, ob sie dieser zusätzlichen Belastung gewachsen ist.

Und es helfen auch die geringen Stellenaufwüchse nichts, wenn, wie von Frau Eder im Ausschuss für Klima, Energie und Mobilität vorgetragen, kein Personal auf dem Markt gefunden werden kann. In diesem Zusammenhang weise ich auch auf die unlängst geäußerte Kritik der Geschäftsführerin des Städtetags, Lisa Diener, hin, dass wir Zitat „die Klimakrise zu Tode verwalten“.

Es wurde ein Förderdschungel geschaffen, der es unmöglich macht, sich einen strukturierten Überblick über die verschiedenen Programme zu verschaffen.

In die gleiche Kerbe schlug ihr Kollege Michael Mätzig, der zurecht davon sprach, dass die selbst geschaffene Bürokratie von den Verwaltungen nicht mehr gestemmt werden kann. Das erklärt auch, warum in den Haushaltsplänen bei vielen Fördermaßnahmen kaum Mittel abgerufen werden. Die Förderprogramme passen nicht auf die Kommunen. Die Landesregierung ist mit den Ministerien von den Praktikern vor Ort zu weit entfernt.

Die Altschuldenlösung und die Neuregelung des KFA – das sind die Geister, die sie durch Jahrzehnte ungenügender Finanzausstattung der Kommunen selbst gerufen haben, meine Damen und Herren der Landesregierung. Dabei ist die Altschuldenlösung in ihrem Gesamtumfang von 3 Milliarden Euro ein notwendiger Schritt, den wir in seiner grundsätzlichen Idee mittragen. Bei der Umsetzung sehen wir jedoch erheblichen Verbesserungsbedarf. Der wunde Punkt ist nämlich der Sockelbetrag, zu dem ich an dieser Stelle einen Änderungsvorschlag ankündigen möchte. So wie der Entwurf aussieht, ist er so gestrickt, dass mit der 100-prozentigen Tilgung aller Schulden über 2500 € pro Einwohner Rheinland-Pfalz endlich aus der ominösen Bertelsmann-Liste herausfliegt, in der von den 20 am meist verschuldeten Städten Deutschlands elf in RLP liegen. Das kann aber nicht der Ansatz sein!

Nach dem aktuellen Schema werden viele unserer Ortsgemeinden vom Schuldenschnitt nicht profitieren können. Doch genau die kleinen Ortsgemeinden im kreisangehörigen Raum sind es, die ihre hohen Liquiditätskredite nicht aus eigener Kraft werden abbezahlen können. Die FREIEN WÄHLER werden mit einem eigenen Vorschlag zum Sockelbetrag kommen. Der Sockelbetrag ist für Ortsgemeinden mit 167 Euro pro Einwohner zu hoch. Kleine Gemeinden, ohne jedes Gewerbe, können ihre Liquiditätskredite ohne eine bessere Unterstützung nicht aus eigener Kraft abbauen.

Im nächsten Schritt sind wir uns alle einig: Kommunale Spitzenverbände, Landesregierung, Opposition. Der Bund als Mitverursacher der kommunalen Schuldenlast muss die restlichen Kredite aus eigener Tasche tilgen, wie es die Ampel auch im Koalitionsvertrag vorgesehen hat. Wenn dies erfolgt – die Miteinbeziehung der Ortsgemeinden und die Übernahme der Restschulden durch den Bund -, hätten wir die Vergangenheit sauber aufgearbeitet und können uns der Zukunft widmen, die da heißt: Kommunaler Finanzausgleich.

Über die Neuregelung des LFAG haben wir uns bereits im Septemberplenum ausgetauscht, insofern möchte ich mich kurz fassen. Ihr erster Schuss hat nicht gesessen, wie es die Expertenanhörung im letzten Innen- und HuFausschuss gezeigt hat:

Wenn wir nicht in zehn Jahren wieder über die Altschuldenproblematik sprechen wollen, muss beim KFA dringend nachgebessert werden und zwar hinsichtlich der Nivellierungssätze, einer Aufstockung der Finanzausgleichsmasse durch mehr originäre Landesmittel und eines jährlichen Aufwuchses jenseits des unzuverlässigen Symmetrieansatzes.

Vor gut einer Woche haben wir im Rahmen eines Anhörverfahrens im Innenausschuss von einer Reihe von Sachverständigen bestätigt bekommen, dass der Entwurf so nicht verabschiedet werden darf.

Das Anhörverfahren und die anschließende Fragerunde entwickelten sich zur Stunde der Opposition, in der nicht nur die bestehende Kritik untermauert wurde, sondern viele neue Fragezeichen hinsichtlich der aktuellen Fassung aufkamen.

Man konnte gar nicht erkennen, welche Experten  von der Regierungsampel benannt waren, ALLE hatten Kritik am neuen LFAG vorzubringen.

Zum Fachsimpeln werden wir an anderen Stelle noch genügend Zeit haben, deswegen will ich es hier und jetzt einfach ausdrücken:

Bei allen Verweisen auf das Urteil des VGH, es ging ja niemals um die Höhe, sondern immer um eine bedarfsgerechte Ermittlung, werden Sie letzten Endes nicht umhinkommen, die Finanzausgleichsmasse aufzustocken.

Und zum Schluss:

Wie weit Idee, Gesetz und Umsetzungspraxis auseinander sind, sieht man bei der Digitalisierung.

Im Konkreten bei der Digitalisierung der Verwaltungsabläufe. Viel zu spät hat Rheinland-Pfalz das Onlinezugangsgesetz auf den Weg gebracht, drei Jahre zu spät. Auch die dann schnell ausgesuchten Boosterleistungen sind nicht bis zum Jahresende umgesetzt. Damit kommt Rheinland-Pfalz absolut ins Hintertreffen. Herr Schweitzer, die Umsetzungsgeschwindigkeit muss sich grundlegend ändern!

Meine Damen und Herren,

Rheinland-Pfalz fehlt es nicht an Ideen, sondern an langfristigen Strategien und beharrlichem Nachhalten auf den verschiedensten Handlungsebenen. Wir haben kein Problem in Haushaltsfragen, sondern alleine ein Regierungsproblem, das Land strategisch zu führen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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