„Katastrophenschutz ist nicht die Müllabfuhr aller Dinge, die sonst nicht erledigt werden!“

𝘍𝘙𝘌𝘐𝘌 𝘞Ä𝘏𝘓𝘌𝘙-𝘖𝘣𝘮𝘢𝘯𝘯 𝘚𝘵𝘦𝘱𝘩𝘢𝘯 𝘞𝘦𝘧𝘦𝘭𝘴𝘤𝘩𝘦𝘪𝘥 𝘻𝘶𝘳 𝘻𝘦𝘩𝘯𝘵𝘦𝘯 𝘚𝘪𝘵𝘻𝘶𝘯𝘨 𝘥𝘦𝘴 𝘜𝘯𝘵𝘦𝘳𝘴𝘶𝘤𝘩𝘶𝘯𝘨𝘴𝘢𝘶𝘴𝘴𝘤𝘩𝘶𝘴𝘴𝘦𝘴 „𝘍𝘭𝘶𝘵𝘬𝘢𝘵𝘢𝘴𝘵𝘳𝘰𝘱𝘩𝘦“

MAINZ. In der zehnten Sitzung des Untersuchungsausschusses 18/1 „Flutkatastrophe“ am 4. März wurden Brand- und Katastrophenschutzinspekteure aus sechs Landkreisen und vier Wehrleiter aus dem Kreis Ahrweiler im Zeugenstand gehört. Dabei ging es um die Frage, wie die Landkreise im Katastrophenschutz grundsätzlich aufgestellt sind.

Bewertung des Obmanns der FREIE WÄHLER Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz, Stephan Wefelscheid, MdL, zum öffentlichen Teil der heutigen Sitzung:

Für mich stand heute insbesondere im Fokus, ob örtliche Alarm- und Einsatzpläne (AEP) sowie Bedarfspläne vorgehalten werden, und ob die Landkreise auf das Problem der sog. Verklausung vorbereitet waren. Bei Verklausungen handelt es sich um die Verstopfung eines fließenden Gewässers durch angetriebenes Holz oder sonstiges Treibgut. Dieses sammelt sich häufig an Brückenpfeilern oder sonstigen Engstellen und bildet dann einen Damm. Dadurch wird das Wasser aufgestaut, was zu schnell und stark steigenden Wasserständen oberhalb des Dammes führt.

Im Ergebnis der Sitzung muss ich leider feststellen, dass die Alarm- und Einsatzpläne gar nicht oder nicht so vorhanden sind, wie sie es sein müsste – und dass man insbesondere im Ahrtal hinsichtlich der Thematik der Verklausungen nicht das notwendige Problembewußtsein dafür hatte. Erschreckt hat mich auch die Erkenntnis, dass die befragten Personen als Vertreter der Landkreise und Gemeinden keine Kenntnis vom kostenfreien Angebot des Landesamtes für Umwelt (LfU) zur Durchführung einer Gefährdungsanalyse zur Identifizierung von Ortslagen oder Ortsteilen, die einem erhöhten Sturzflutrisiko infolge von Starkregen ausgesetzt wären, hatten. Den Gründen hierfür gilt es nachzugehen.

Im Einzelnen:

Der Zeuge Harald Schmitz, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises Vulkaneifel, erteilte Auskunft darüber, dass es zwar örtliche AEP für verschiedene Bereiche (etwa Gesundheit, Bundesstraßen und überörtliche Hilfe) gäbe, aber keinen explizit für Hochwasser. Bedarfspläne seien seit 2018 in der Erstellung. Ein aktualisiertes Warnkonzept für den Katastrophenfall sei derzeit noch in Erarbeitung. An mehreren Stellen räumte der Zeuge ein, dass sich die Erstellung aktualisierter Konzepte und Pläne hinziehe. Aufgrund des hohen Zeitaufwandes sei die kurzfristige Erarbeitung derselben im Ehrenamt nicht beziehungsweise nur schwer leistbar. Ein berechtigter Einwand, den ich im Laufe des Tages übrigens mehrfach auch von anderen Zeugen gehört habe. Auf meinen Vorhalt zum Jahresbericht 2016 des LfU betreffend die 14. Mainzer Arbeitstage 2016 zum Thema Starkregenvorsorge und dem Themenkomplex der Verklausung konnte der Zeuge seine Teilnahme an der Veranstaltung nicht bestätigen, da er erst ab 2018 im Amt sei. Was zur Verhinderung des Phänomens der Verklausung im Landkreis an technischem Gerät und Strategien vorgehalten werde, könne er nicht sagen, dies sei vorrangig Aufgabe der unteren Wasserbehörde.

Der Zeuge Jürgen Larisch, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Eifelkreises Bitburg-Prüm, übt das Amt bereits seit 2013 aus. Seit 2018 besteht im Eifelkreis Bitburg-Prüm ein gut eingerichtetes Katastrophenschutzzentrum. Checklisten fungieren als Bedarfspläne, daraus werden Prioritätenlisten erstellt und bei der Haushaltsplanung berücksichtigt. AEP der Stufen 4 und 5 existieren auf Kreisebene nicht. Vieles beim Katastrophenschutz vor Ort beruhe auf Erfahrungswerten und gute Ortskenntnisse seien für eine erfolgreiche Katastrophenbewältigung in jedem Fall unabdingbar. Regelmäßige Treffen, Austausche auf Fachebene und Übungen seien notwendig für Lerneffekte und Weiterentwicklungen einer erfolgreichen Einsatzleitung. Auf meinen Vorhalt zu oben genannter Thematik der Beseitigung von Verklausungen erklärte der Zeuge, hierauf sei man vorbereitet. Zwar werde eigenes technisches Gerät hierfür im Kreis nicht vorgehalten, jedoch bestünden Kooperationen mit externen Firmen um diesem bekannten Problem zu begegnen, auch aufgrund der Erfahrungen aus dem Hochwasser des Jahres 2018. Die entwickelten Checklisten würden von den Kräften vor Ort durchgegangen, entsprechende Meldungen getätigt und die notwendigen Schritte veranlasst. Auf meine Nachfrage zu sogenannen Gefährdungsanalysen erklärte der Zeuge, dass solche nicht vorlägen. Dies zeigt mir, dass bestehende Angebote offensichtlich nicht abgerufen werden. Hier darf man den Entwicklungen nicht hinterherlaufen.

Der Zeuge Rainer Nell, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises Mayen-Koblenz, bestätigt, dass AEP für verschiedene Szenarien vorgehalten werden. Die Zusammenarbeit auf den Ebenen funktioniere, setze aber auch eine gute Kommunikation und Abstimmung voraus. Aufgrund der Erfahrungen beim schweren Hochwasser 2016 wurde die Lage analysiert und seitdem Bagger in Mayen für die neuralgischen Stellen vorgehalten, um auf mögliche Verklausung an der Nette unmittelbar reagieren zu können. Auf meine Nachfrage erklärte der Zeuge, diese vorbereitenden Maßnahmen würden derzeit nur an der Nette vorgehalten, seien an anderen Stellen aufgrund der geographischen Gegebenheiten aber nicht erforderlich.
Der Zeuge Jörg Teusch, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises Bernkastel-Wittlich, erklärte, der Kreis unterhalte einen AEP Hochwasser. Bedarfspläne von Seiten des Kreises gäbe es bisher noch nicht, auf Ebene der Ortsgemeinde lägen diese aber bereits vereinzelt vor. Gesicherter Support erfolge unter anderem über NINA und den Durchsagemöglichkeiten auf den Einsatzfahrzeugen. Das Sirenensystem und auch mobile Warnsysteme würden gerade optimiert und der AEP fortgeschrieben. Der Föderalismus sei kein Freund des Katastrophenschutzes, dieser benötige durchgängige, zentrale und gemeinsame Konzepte. Experten müssten bei Krisenlagen auch vor Ort sein und man müsse mit klaren fachlichen Aussagen und Bewertungen arbeiten können, so der Zeuge. Das ständige Anheben und Absenken der Pegelstände/Pegelprognosen sei für einsatztaktische Maßnahmen problematisch. Wichtig sei es frühzeitige Maßnahmen zu ergreifen und sich vor der Lage zu befinden. Dinge die dreißig Jahre militärisch zurückgefahren wurden, könnten nicht, wenn benötigt, augenblicklich wieder hochgefahren werden. Dies gelte es nach seiner Ansicht zu berücksichtigen. Insgesamt sah der Zeuge deutlichen Verbesserungsbedarf am bestehenden Katastrophenschutzkonzept. Als erster wichtiger Schritt habe sich der Landkreis nun entschieden, ein Katastrophenschutzzentrum zu errichten. Auf meine Nachfrage erklärte der Zeuge, dass ihm das Thema der Verklausung bekannt sei und auch bei dem konkreten Schadensereignis im Juli hätten sie damit zu kämpfen gehabt. Man könne aber nicht kurzfristig alles Treibgut einsammeln, was andere zuvor versäumt haben zu erledigen. Das Problem müsse daher von allen Seiten betrachtet werden um sachgerechte Maßnahmen ergreifen zu können. Im Katastrophenschutz müsse man sich für alle Problematiken breit aufstellen, daran müssten alle zuständigen Behörden auf Landesebene und kommunaler Ebene mitwirken. Denn, so der Zeuge: „Katastrophenschutz ist nicht die Müllabfuhr aller Dinge, die sonst nicht erledigt werden!“ Ich finde, Recht hat er, der Zeuge Teusch.

Der Zeuge Christoph Winckler, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises Trier-Saarburg, führte aus, dass AEPs zwar vorlägen, diese jedoch nicht mehr auf dem aktuellen Stand seien und noch keine Starkregenereignisse berücksichtigt wären. Dies wäre aber zwingend notwendig. 2008 habe die letzte Stabsübung im Landkreis stattgefunden. Auf meine Nachfrage zur Teilnahme des politischen Verantwortlichen erklärte der Zeuge, nur bei großen Übungen sei dieser dabei gewesen, das sei aber schon mindestens fünf Jahre her. Der Begriff der Verklausungen war ihm unbekannt. Die Schilderungen des Zeugen zur Situation des Katastrophenschutzes auf Kreisebene warfen für mich viele Fragen auf. Diese Aufgabe lässt meines Erachtens keinen Raum für Improvisationen in allen Bereichen und Abläufen, wenn es zum Katastrophenfall kommt. Der Kreis sollte sich mit dem Zustand seines Katastrophenschutzes schnellsten befassen.

Der Zeuge Andreas Braun, Wehrleiter der verbandsfreien Stadt Sinzig, erklärte, dass es einen AEP gäbe, der im Nachgang des schweren Hochwassers 2016 überarbeitet worden sei. Die Warnungen des DWD habe er eigenverantwortlich abgerufen, sich im Internet über die Wetterlage informiert und Lage und Warnungen im Blick behalten. Die Arbeit im Ehrenamt sei sehr herausfordernd und zeitintensiv. Auf meine Nachfrage zur Inanspruchnahme einer Gefährdungsanalyse durch das LfU für Sinzig, konnte der Zeuge keine Angaben machen. Auch hier zeigt es sich für mich erneut, dass von den bestehenden Angeboten kein Gebrauch gemacht wird. Den Gründen hierfür gilt es nachzugehen.

Der Zeuge Michael Zimmermann, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises Ahrweiler, erklärte, dass es einen AEP speziell für Hochwasser nicht gäbe. Dies beruhe unter anderem auch auf Kapazitätsproblemen sowohl im Haupt- als auch im Ehrenamt. Wenn die Kommunen an ihre Kapazitätsgrenzen kommen, müsse der Kreis tätig werden. Auf meine Nachfrage zum Thema Verklausungen erklärte er, es bestehe seitens des Kreises kein „Verklausungskonzept“, da müsse man auf die Kräfte vor Ort setzen. Gerätschaften, wie zum Beispiel Greifer, etc. um diese zu beseitigen, würden nicht vorgehalten. Zur Frage des Angebots des LfU der Durchführung einer Gefährdungsanalyse entgegnete der Zeuge, dass ihm dieses nicht bekannt sei bzw. ob Orte oder Ortsteile im Kreis dieses in Anspruch genommen hätten.

Der Zeuge Frank Linnarz, Stellvertretender Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises Ahrweiler und Wehrleiter der Verbandsgemeinde Altenahr, erläuterte die Tätigkeiten hinsichtlich der Fortschreibung der bestehenden Pläne. Nach dem Hochwasser 2016 seien Gerätschaften aufgestockt worden. Die übers Internet abrufbaren Pegelstände und -prognosen zu erfassen und zu deuten sei herausfordernd. Für die sachgerechte Einsatzplanung sei darüber hinaus die Durchführung eigener Berechnungen erforderlich. Regelmäßige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen von Übungen hätten stattgefunden. Zu einer coronabedingten Unterbrechung der Übungspraxis und der Fortschreibungen der Pläne sei es jedoch gekommen. Schon 2016 seien Verklausungen ein Problem an einigen Brücken gewesen. Auf meine Nachfrage zur Verklausung, deren Beseitigung, Konzepte, etc. erklärte der Zeuge, dass es keine Räumungspläne gäbe. Konkrete Räumung der Campingplätze durch die Feuerwehr oder Fremdfirmen sei jedenfalls nicht erfolgt. Warum hier vor dem Hintergrund der Flut von 2016 nicht längst reagiert wurde, ist für mich unverständlich. Denn gerade die Ahr ist für Verklausungen anfällig. Der Zeuge erklärte, heute erstmals von der Möglichkeit der Gefährdungsanalyse durchs LfU zu hören. Bedauerlich.

Der Zeuge Dieter Merten, Wehrleiter der Verbandsgemeinde Adenau, erklärte, dass lokal das Mobil- und Funknetz nicht richtig funktioniere. Hierauf sei auch schon explizit gegenüber dem Innenministerium hingewiesen worden, jedoch erfolglos. Auf meine Nachfrage erklärte der Zeuge, das Wort Verklausung schon mal gehört zu haben, sich darunter aber spontan nicht vorstellen zu können. Auf meine Erläuterung des Begriffs erklärte er, seit den Erfahrungen zum Jahrhunderthochwasser aus dem Jahre 2016 habe es hierzu keine Konzepte oder Maßnahmen gegeben. Auf meine weitere Nachfrage zu der Möglichkeit der Gefährdungsanalyse für Orte und Ortsteile entgegnete der Zeuge, ihm sei bekannt, dass mittlerweile ein Hochwasserkonzept entwickelt werde.

Der Zeuge Marcus Mandt, Wehrleiter der verbandsfreien Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, erklärte, es gäbe einen AEP für Hochwasser für die Stadt, ebenso auch einen Bedarfsplan. In den letzten fünf Jahren fand keine eigene Übung statt, aber die Teilnahme an kreisübergreifenden Übungen und auch Schulungen an der LFKA. In den letzten zwei Jahren coronabedingt auch dies nicht mehr. Auf meine Nachfrage zu Verklausungen erklärte der Zeuge, im Jahre 2016 habe es keine Berührungspunkte von Treibgut mit den Brücken gegeben, so dass ein Eingreifen dort nicht erforderlich geworden sei. Konzepte oder Einsatz von Gerätschaften habe es dahingehend in der Folge also nicht gegeben.

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