15. Plenarsitzung – Stephan Wefelscheid zu „Zwischen Protest, Verschwörungstheorie und Radikalisierung – Bandbreite und Gefahren der sogenannten Montagsspaziergänger“ (Aktuelle Debatte – Antrag der SPD-Fraktion) – mit Video

Video: Landtag RLP

Vernunft statt Ideologie! Das ist das Gebot der Stunde.

Seit Wochen wird in Deutschland und leider auch in Rheinland-Pfalz das Versammlungsrecht missbraucht. Als „Spaziergänge“ getarnte Demonstrationen ohne verantwortliche Leiter provozieren durch massenhafte, bewusste Verstöße gegen Auflagen und das Infektionsschutzgesetz.

Es handelt sich eben nicht um spontane „Spaziergänge“, sondern ganz klar um lange geplante Versammlungen, die über „soziale“ Medien wie „Telegram“ organisiert werden. Viele Teilnehmer halten sich nicht an die Auflagen und quittieren entsprechende Aufforderungen seitens der Ordnungskräfte mit Spott und Häme. Dieses lächerlich machen des Rechtsstaates und die Gefährdung von Gesundheit und Leben der vernünftigen übergroßen Mehrheit der Bevölkerung kann nicht länger akzeptiert werden.

Teilnehmer dieser illegalen Aufmärsche stilisieren sich zu Opfern hoch und suggerieren unter Verwendung kruder Verschwörungsmythen, eine Gefährdung der Demokratie und ihrer Rechte durch ein undemokratisches „Regime“. Dies ist ein Schlag ins Gesicht der mutigen Frauen und Männer, die sich in der Vergangenheit – aber auch – ganz aktuell Diktatoren und Unrechtssystemen entgegengestellt haben. Unrühmlicher Höhepunkt ist das Verhalten einiger „Demonstranten“, die sich in eine Reihe mit den Opfern des Holocausts stellen und dies mit entsprechenden Kennzeichnungen deutlich machen. Dieses Verhalten ist abstoßend, geschichtsvergessen und nicht hinnehmbar.

Wir FREIE WÄHLER appellieren daher an alle Bürgerinnen und Bürger, die völlig legitimerweise ihre Meinung – wie zum Beispiel die Ablehnung einer allgemeinen Impfpflicht – öffentlich kundtun wollen, dies nicht im Schulterschluss mit Kräften zu tun, die die „Spaziergänge“ lenken und für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren versuchen. Wählen Sie stattdessen den rechtsstaatlichen Weg einer angemeldeten Demonstration unter Einhaltung der Regelungen des Infektionsschutzgesetzes!

Wir haben in Deutschland die Lehren aus der Vergangenheit gezogen und unsere Republik ausdrücklich als wehrhafte Demokratie konzipiert. Der kluge Satz „Wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur wach.“ beschreibt sehr gut, was passieren kann, wenn man ein Aushöhlen des Rechtsstaates zulässt.

Daher begrüßen wir, dass viele Gemeinden in Rheinland-Pfalz zwischenzeitlich Allgemeinverfügungen erlassen haben, die den Missbrauch des Demonstrationsrechtes unterbinden. Ebenso begrüßen wir, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger in vielfältiger Form gegen illegale Aufmärsche stellen.

Als Vertreter der bürgerlichen Mitte wollen wir dazu aufrufen, dass alle demokratischen Kräfte gemeinsam Flagge und Gesicht zeigen – ohne Ausgrenzung und ohne den Versuch, selbst hieraus noch parteipolitisches Kapital schlagen zu wollen.

Wir alle sind aufgefordert, auch im Sinne der überwältigend großen Mehrheit Bürgerinnen und Bürger, die sich zum Schutz ihrer Mitmenschen, oft nicht begeistert, aber vernünftig, sozial und solidarisch an die Regeln halten, Recht und Gesetz durchzusetzen und uns geschlossen hinter unseren demokratischen Rechtsstaat zu stellen!

Auf ein rechtliches Problem möchte an der Stelle allerdings noch Hinweisen. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat in seinem Beschluss vom 3. Januar, mit welchem der Eilantrag gegen Untersagung von „Montagsspaziergängen“ abgewiesen wurde, ausgeführt, dass im Hauptsacheverfahren noch die Rechtsfrage geklärt werden müsse, in welchem Verhältnis die versammlungsrechtliche Befugnis zum Erlass eines Versammlungsverbots zu den infektionsschutzrechtlichen Befugnissen zum Erlass von notwendigen Schutzmaßnahmen stehe. Denn § 28a Abs. 8 Satz 1 IfSG schließe in der Nr. 3 ausdrücklich die Untersagung von Versammlungen oder Aufzügen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes als mögliche Schutzmaßnahme aus.

Tja, meine Damen und Herren, da sind wir wieder an der Stelle, wo wir im Dezember-Plenum schon mal waren. In Rheinland-Pfalz haben wir zuletzt die epidemische Lage nationaler Tragweite festgestellt. Der Bundestag hingegen hat sich bis heute um diese Feststellung gedrückt. Ich hoffe sehr, dass diese Berliner Entscheidungsschwäche uns hier in Rheinland-Pfalz jetzt nicht an dieser Stelle vor die Füße fällt. Es wäre dann nämlich im Ergebnis geradezu absurd, wenn trotz höchster Inzidenzen aller Zeiten die Ordnungsbehörden gerade dieses Argument der Gesundheitsgefährdung nicht zur Untersagung von Versammlungen anführen dürften. Insofern ist auch hier der Blick in Richtung Ampel gerichtet, diese offene Rechtsfrage im Auge zu behalten und gegebenenfalls zügig zu handeln.

Es gilt das gesprochene Wort.

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