42. Plenarsitzung – Lisa-Marie Jeckel zu “Sexuellen Kindesmissbrauch und andere schwere Kriminalität wirkungsvoll bekämpfen – IP-Daten zur Ermittlungsarbeit temporär sichern” – mit Video

Antrag der CDU-Fraktion

Video: Landtag RLP

Wie mein geschätzer PGF Stephan Wefelscheid sagen würde: “Der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung”. In dem Fall ein Blick in die Charta der Grundrechte und Richtlinien der Europäischen Union. In Verbindung mit der Rechtssprechung des EuGH ergibt sich doch ein deutliches Bild. Allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung, also anlasslose Vorratsdatenspeicherung, von IP-Adressen steht Europäischem Recht nur dann nichts entgegen, wenn die Speicherung nur innerhalb eines – und ich zitiere mit Erlaubnis aus aktuellem Urteil des EuGH – auf das “absolut notwendige begrenzten Zeitraums” erfolgt. Und das zu Recht. Schließlich können die IP-Adressen zur umfassenden Nachverfolgung der Online-Aktivität der Nutzer verwendet werden, sodass diese Daten es möglich machen, ein detailliertes Profil des Nutzers zu erstellen. Das stellt einen schweren Eingriff in die Grundrechte aus Art. 7 und 8 der Charta dar.

Die Freiheit und die Vertraulichkeit von Kommunikation und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gehören aber gerade zu den Grundpfeilern unserer Demokratie. Nach Art. 5 GG hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Wir sind uns wohl alle einig, das sind für unsere demokratische Gesellschaft absolut essentielle Grundrechte und äußerst schützenswert, weshalb wir sehr sorgfältig abwägen müssen. Bei dieser Abwägung ist es ist aber auch zu berücksichtigen, dass im Fall einer im Internet begangenen Straftat die IP-­Adresse der einzige Anhaltspunkt sein kann, der es ermöglicht, die Identität des Täters zu ermitteln.

Wenn es aber gar keine Regelung zur Vorratsdatenspeicherung der IP-Adressen gibt, dann werden diese in der Regel schnell gelöscht wenn sie denn überhaupt gespeichert werden. Damit kann sich die Aufklärung einer Straftat im Internet als unmöglich erweisen. Aus sicherheitspolitischen Gründen ist eine Speicherung von persönlichen Daten also nicht vollständig vermeidbar, wenn auch ein genereller Zugriff auf sämtliche erfassten und protokollierten personenbezogenen Daten natürlich abzulehnen ist. So weit geht der Antrag der CDU aber ja auch nicht, wir reden hier ausschließlich über die Speicherung der IP-Adressen, und das damit angestrebte Ziel ist sowieso zu befürworten. Die Frage ist, ob der von Ihnen liebe CDU-Fraktion aufgezeigter Weg zu diesem Ziel auch sinnvoll und durchführbar ist.

Beim Lesen ihres Antrages überkam mich ein Gefühl eines Deja-vu. Und ja, da war etwas im September letzten Jahres im Bundestag. Die Fraktion der CDU/CSU wurde von den anderen Fraktionen für ihren Antrag teils scharf kritisiert und heute ist es nicht anders, nur das Gremium ist ein anderes.

Ich hatte mich gefreut mit Ihnen über die neuen Entwicklungen zu sprechen und war gespannt, wie sie ihren Antrag daran anpassen würden. Leider haben sie die Chance verpasst deutlicher auf die damals geäußerten Kritikpunkte einzugehen. Leider haben sie es verpasst diesem Plenum konkretere praxistaugliche Regelungen zur Speicherung von IP­-Adressen vorzulegen. Hier liegt ein Problem in ihrem Antrag, das ihnen seit September 2022 bekannt gewesen sein dürfte, und nachdem ihre Fraktion im Bundestag damit nicht durchgekommen ist, versuchen sie als rheinland-pfälzische CDU nun über diesen Landtag in Berlin Druck in ihrem Sinne aufzubauen.

Aber nicht nur, dass sie weite Teile des Antrages von damals übernommen haben, sie haben auch keine wirklich neuen Ideen hinzugefügt.
Aber gut, absolut wichtig ist das Thema trotzdem und deshalb bin ich dankbar für die Debatte. Und um nochmal auf das Ziel des hier vorliegenden Antrags zurückzukommen: Wir brauchen dringend effektiveren Kinderschutz, wir müssen dringend unsere Strafverfolgungsbehörden unterstützen.

Es ist uns hoffentlich allen bewusst, dass wir unsere Justiz stärken müssen. Es ist unerträglich, wenn Straftaten nicht verfolgt werden können oder zumindest nicht so effektiv wie möglich verfolgt werden können, weil man bei den Behörden an Ausrüstung, Ausbildung, Personal oder Unterstützung spart.

Im Zusammenhang mit den IP-Adressen auch ein gutes und wichtiges Stichwort: “Digitalkompetenz”. Davon brauchen wir mehr in unseren Strafverfolgungsbehörden. Das vorletztes Jahr erstmalig durchgeführte Programm, IT-Spezialisten für die Kriminalpolizei auszubilden, war da ein guter Anfang und ich hoffe es wird so erfolgreich weitergeführt. Und ja, wir müssen der Strafverfolgung neben personeller und ausrüstungstechnischer Aufstockung auch wirksame Mittel an die Hand geben.

Aber rechtssicher sollten sie sein, wir greifen schließlich in den sensiblen Bereich der Bürgerrechte ein. Daran, die IP-Adressen sechs Monate zu speichern, habe ich erhebliche Bedenken, vorallem in Hinblick auf das neue Urteil des EuGH, in dem ja ausdrücklich von einem aufs absolut notwendige begrenzten Zeitraum für eine solche vorsorgliche Speicherung von IP-Adressen gesprochen wird.

Und um auch noch kurz auf das ebenfalls im Raum stehende “Quick Freeze” einzugehen: die Notwendigkeit dessen erschließt sich mir nicht. Wir haben doch mit §100a StPO schon eine Norm, die beim Verdacht auf eine dort aufgezählte schwere Tat, unter anderem auch im Bereich des Kindesmissbrauchs, einen Eingriff in elektronische Kommunikation erlaubt. “Quick Freeze” bringt dazu dann doch eher keine bahnbrechend neuen Vorteile. Aber damit “Quick Freeze” oder die erfolgreiche Anwendung des §100a StPO in solchen Fällen überhaupt funktioniert, damit die Daten nicht schon längst gelöscht sind, macht die Speicherung von IP-Adressen – innerhalb eines sehr kleinen Zeitraums – absolut Sinn.

Dabei spreche ich aber nicht wie die CDU von sechs Monaten, sondern eher von Wochen. Noch ein Gesetz initialisieren, dass dann später vor dem EuGH wieder keinen Bestand hat macht keinen Sinn, außerdem sehe ich es auch als unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der überwiegend unschuldigen Bürger an, über so einen langen Zeitraum anlasslos die Daten zu speichern und derart ihre Persönlichkeitsrechte zu gefährden. Und deshalb: Ja zu Kinderschutz und ja zu Bürgerrechten. Und deswegen: Enthaltung zur CDU.

Es gilt das gesprochene Wort.

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