FREIE WÄHLER fordern Anhebung des Präventivgewahrsams / Gesetzentwurf zur Änderung des POG für Plenarsitzung eingereicht
MAINZ. Bundesinnenministerin Nancy Faeser verbietet die Organisation „Samidoun – Palestinian Prisioner Solidarity Network“, die das Existenzrecht Israels verneint und deren Anhänger zuletzt bei Pro Palästinensischen Demonstrationen aufgetreten waren. Nach diesem Verbot rechnet die Polizei aktuell mit Protesten. Was tun, wenn in Mainz, Koblenz, Trier, Ludwigshafen oder Kaiserslautern trotz Verbot von der Organisation „Samidoun“ Proteste angekündigt werden sollten? Zuletzt kam es in Berlin zu der Situation, dass eine für 50 Personen angemeldete „Mahnwache für die zivilen Opfer in Nahost“ im Internet unter anderen inhaltlichen Gesichtspunkten beworben wurde, mit der Folge, dass mehr als 1000 Menschen die Mahnwache „kaperten“, wie die Polizei Berlin berichtete. Die Polizei löste die Versammlung auf, es kam zu 153 Festnahmen, 80 Strafanzeigen und 68 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten. Acht Einsatzeinheiten mit 800 Beamten waren im Einsatz. Was tun, wenn es in Mainz, Koblenz, Trier, Ludwigshafen oder Kaiserslautern zu ähnlichen Situationen kommt und trotz Auflösung der Versammlung und Platzverweisung oder Aufenthaltsverbot Personen sich weigern, die Örtlichkeit zu verlassen und ankündigen, in eine wochenlange Sitzblockade treten zu wollen? Am Rande einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Leipzig kam es 2021 zu 24 Festnahmen von Personen aus der rechten Szene, die in Gewahrsam genommen wurden, weil sie bei der Demonstration verbotene Gegenstände bei sich trugen. Was tun, wenn in Mainz, Koblenz, Trier, Ludwigshafen oder Kaiserslautern gewaltbereite Neonazis bei Versammlungen verbotene Gegenstände bei sich führen, die sie androhen, nachfolgend auch einsetzen zu wollen? Auch in Bezug auf Straftaten durch Aktivisten hat sich im Laufe der vergangenen zwei Jahre eine neue Entwicklung zugetragen. So blockierten Aktivisten der sogenannten „Letzten Generation“ in koordinierten Aktionen Hauptverkehrsstraßen in Städten in ganz Deutschland, so auch in Rheinland-Pfalz. Auch kam es allein im Zeitraum 27. April bis 1. Mai 2022 zu fünf Aktionen mit dem Ziel der Sabotage von Rohöl-Leitungen der Rhein-Main-Rohrleitungstransportgesellschaft mbH (zwei davon im Versuch), wie auch die Landesregierung im Rechtsausschuss am 19. Juni 2023 auf Antrag der FREIE WÄHLER Landtagsfraktion nochmals ausführte (Drs. 18/4145). Was tun, wenn derartige Sabotageaktionen der Polizei vorher bekannt werden und von denen man weiß, dass diese sich über mehrere Wochen erstrecken können?
Um derartige drohende Gefahren abwenden zu können, sieht das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz Rheinland-Pfalz (POG) in § 17 Abs. 2 POG vor, derartige Personen, etwa zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Begehung oder Fortsetzung einer Straftat und damit zum Schutz der Rechtsgüter Dritter, bis zu sieben Tage in Gewahrsam nehmen zu können. Das Problem: Nach Ablauf spätestens der sieben Tage ist die Person wieder freizulassen, selbst wenn diese erklärt, die verbotene Tat sofort durchführen zu wollen. Der Polizei bliebe letztlich dann nur das Instrument der Observation, um bei Eintritt in das Versuchsstadium der Tat handeln zu können. Hier zeigt sich, dass die 7 Tages-Frist des POG angesichts der Zunahme an möglichen Szenarien nicht mehr zeitgemäß ist.
In vergleichbaren Regelungen in den Polizeigesetzen der Bundesländer reicht die Höchstdauer der präventiven Freiheitsentziehung bis zu einem Monat und sieht teilweise noch eine Verlängerungsmöglichkeit vor. Diese Möglichkeit will die FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion mit Blick auf Gefährdungen und Gefährder auch für Rheinland-Pfalz ausschöpfen und hat dazu für die 52. Plenarsitzung am Dienstag, 7. November, einen Entwurf zur Änderung des POG eingereicht.
„Der Präventivgewahrsam findet in verschiedensten Fällen Anwendung, etwa zur kurzfristigen Unterbindung terroristischer Aktivitäten oder Aufrufen zur Teilnahme an verbotenen Versammlungen, häuslicher Gewalt, Sexual- und Gewaltdelikten oder der Fortsetzung von Straftaten durch Aktivisten“, so Stephan Wefelscheid, rechtspolitischer Sprecher der FREIE WÄHLER-Landtagsfraktion. „Die vielfältigen neuen Herausforderungen machen neben einer angemessenen Ergänzung und Erweiterung bestehender Befugnisse auch eine weitergehende Fortentwicklung des materiellen Polizeirechts erforderlich. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Bekämpfung der unterschiedlichsten Erscheinungsformen von terroristischen und extremistischen Anschlägen, sondern auch der Gewährleistung eines wirkungsvollen Schutzes der Opfer vor häuslicher Gewalt und der Bevölkerung vor konkreten Gefahren, die von als gefährlich eingestuften Straftätern ausgehen.“
Die politischen Diskussionen in anderen Bundesländern zur Anhebung der Höchstdauer geben Anlass, auch angesichts der Zunahme von Anwendungsfällen des Präventivgewahrsams in Rheinland-Pfalz, die Dauer anzuheben. So hat in Bayern der Verfassungsgerichtshof im Juni dieses Jahres die Höchstdauer polizeilichen Gewahrsams von einem Monat mit der Möglichkeit der Verlängerung auf insgesamt zwei Monate für verfassungskonform erklärt. In Nordrhein-Westfalen ist derzeit eine Höchstdauer von 28 Tagen vorgesehen, in Baden-Württemberg und Sachsen von 14 Tagen.
FREIE WÄHLER wollen erreichen, dass ein präventivpolizeilicher Gewahrsam für die Dauer von maximal 14 Tagen angeordnet werden kann – mit einmaliger Verlängerung in begründeten Einzelfällen um bis zu weitere 14 Tage. So sollauch in Extremsituationen und besonderen polizeilichen Einsatzlagen die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechterhalten werden können. Schon 2004 wurde in Rheinland-Pfalz die Regelung einer präventiv-polizeilichen Ingewahrsamnahme zur Unterbindung unmittelbar bevorstehender Straftaten auch für weitergehende Zeiträume als zulässig erachtet worden. „Die Beschränkung auf sieben Tage wurde damals als ausreichend angesehen, die neuen Gefährdungslagen gebieten nun eine Anhebung der Gewahrsamsdauer zum Schutz der Bevölkerung“, argumentiert Wefelscheid. Somit habe die Polizei einen der Situation entsprechenden Handlungsspielraum zur Gefahrenabwehr. „Damit kann der Begehung und Fortsetzung von Straftaten, etwa im Falle von dauerhaft angekündigten Aktionen von Aktivisten und Terroristen effektiver begegnet werden – und so ein wichtiger Schutz der Rechtsgüter Dritter erfolgen. Auch eignet sich die zeitlich befristete und umgrenzte Freiheitsentziehung sowie die Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung, um die Gesellschaft zu schützen und bestehende Lücken und Verzögerungen in rechtlichen Abläufen zu überbrücken“, begründet der rechtspolitische Sprecher der FREIEN WÄHLER.
Durch die Bestimmung des neuen § 17 Abs. 2 POG hinsichtlich der angehobenen Gewahrsamsdauer und der einmaligen Verlängerungsmöglichkeit, soll die Möglichkeit eröffnet werden, durch richterliche Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zum Zwecke der Gefahrenabwehr bis maximal 28 Tage (bei Verlängerung) anordnen zu können.