Stephan Wefelscheid erwartet konkrete Vorschläge des Justiz- und Innenministeriums
MAINZ. Wie kann es sein, dass sich der mehrfach vorbestrafte 61-Jährige, der zu Beginn der Woche in Edenkoben mutmaßlich ein 10-jähriges Mädchen entführt und sexuell missbraucht hat, einfach weigern konnte, eine elektronische Fußfessel zu tragen? Und warum wurde der Tatverdächtige von der Polizei nicht besser überwacht? Wie hat die Polizei nach der Entführung reagiert – und hätte die Tat im Vorfeld verhindert werden können? Um diese und weitere Fragen rund um die grausame Tat zu klären, waren Innen- und Rechtsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags am heutigen Freitag auf gemeinsamen Antrag der FREIE WÄHLER-Fraktion und der CDU-Fraktion zusammengekommen. Stephan Wefelscheid, rechtspolitischer Sprecher der FREIE WÄHLER-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz, stellen sich nach erfolgter Sondersitzung weitere Fragen:
„Wir haben gehört, dass der Tatverdächtige seit 2012 der Führungsaufsicht unterlag. Unter anderem bestand die Auflage zum Tragen elektronischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsorts, umgangssprachlich auch elektronische Fußfessel genannt. Diese wurde offensichtlich nicht getragen, weil der Tatverdächtige sich weigerte und keine staatliche Berechtigung zur Anwendung des unmittelbaren Zwangs bestanden habe. Welchen Sinn hat dann eine Auflage, die letztlich nicht umgesetzt werden kann?
Der Tatverdächtige hatte die Weisung erhalten, sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, darunter Orte wo Kinder sich aufhalten. Auf meine ausdrückliche Frage wurde verneint, dass die lokalen kommunalen Ordnungsbehörden darüber informiert wurden. Welchen Sinn hat eine Auflage sich nicht an Orten aufhalten zu dürfen, wo Kinder sich aufhalten, wenn letztlich die Verantwortlichen dieser Orte nicht wissen dürfen, dass der Tatverdächtige sich dort nicht aufhalten darf?
Ausweislich des Sprechvermerks des Justizministeriums aus der Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags Rheinland-Pfalz vom 17. November 2022, TOP 12 „Sexualstraftäterdateien und Handhabung der Führungsaufsicht“, Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER Vorlage 18/2734, obliegt die Überwachung des Verhaltens eines Verurteilten und die Erfüllung der Weisungen nach § 68b StGB der Aufsichtsstelle im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewährungshilfe sowie gegebenenfalls der forensischen Ambulanz.
Zweck der Überwachung des Verhaltens der verurteilten Person sei es, gefährliche Entwicklungen rechtzeitig festzustellen und erforderlichenfalls für Abhilfe zu sorgen. Auf meine ausdrückliche Frage konnte nicht abschließend geklärt werden, ob der Tatverdächtige sich in forensischer Ambulanz befunden hatte. Hier bin ich auf die Beantwortung am kommenden Donnerstag gespannt. Was allerdings jetzt schon kritisch festzustellen ist, ist die Tatsache, dass offensichtlich eine Sozialtherapeutische Behandlung immer nur dann erfolgt, soweit diesbezüglich überhaupt Einsichtsfähigkeit eines Straftäters besteht. Wenn allerdings die Sozialtherapeutische Behandlung und anschließende forensische Ambulanz nicht erfolgt, wie kann dann letztlich die rechtzeitige Feststellung gefährlicher Entwicklungen im Rahmen der Überwachung von Straftätern nach der Haftentlassung überhaupt erfolgen? Welchen Sinn hat dann diese Konzeption, wenn letztlich die psychologische Überwachung von Faktoren abhängt, die die öffentliche Hand demnach nicht beeinflussen kann? Konkret: Kann es sein, dass die psychologische Gefährlichkeitseinschätzung dadurch unterlaufen werden kann, dass ein Straftäter keine Lust auf die Therapie hat?
Insofern erscheint die Einschätzung des CDU-Kollegen Christian Baldauf nicht abwegig, wenn er im Ausschuss ausführt, dass offensichtlich Gesetze zu liberal seien und dass man von einem gesetzlichen Totalversagen sprechen müsse. Denn wenn man bei solchen Menschen Klimmzüge machen müsse, um Kinder zu schützen, erwarte Baldauf von den Ministern aber auch Datenschützern, dass diese zielführende Vorschläge unterbreiten. Dieser Einschätzung des CDU-Kollegen Baldauf kann ich mich nur anschließen. Denn wenn das Tragen von elektronischen Fußfesseln sowie die Durchführung der forensischen Ambulanz vom Willen des Täters abhängen soll, erscheint dieses Präventivkonzept untauglich. Ganz offensichtlich müssen die Gesetze nachgebessert werden. Auch wir FREIE WÄHLER erwarten daher ganz konkrete Vorschläge des Justiz- und Innenministeriums.“
Lisa-Marie Jeckel, in Vertretung für Joachim Streit im Innenausschuss, die sich schon seit längerer Zeit für verbesserten Kinderschutz einsetzt, drückt namens der gesamten Fraktion auch noch ihre tiefe Anteilnahme aus. „Wir sind in Gedanken bei dem Opfer und deren Familie. Es ist eine unvorstellbare Tat, die sich hier ereignet hat und so etwas darf sich nicht wiederholen. Jetzt gilt es auch in der Aufbereitung der Tat, die Traumatisierung des Opfers nicht weiter zu vertiefen und der Familie und dem Opfer bestmögliche Unterstützung zu bieten.“